Stuttgart kleidet sich ein Foto: Moritz

Stuttgart 21: Von kreativ bis geschmacklos - Buttons, T-Shirts und Aufkleber sind gefragt.

Stuttgart - Der Einzelhandel betrachtet Großdemonstrationen mit Skepsis. Zumindest ein Segment aber floriert dank der Debatten und Kundgebungen um Stuttgart 21: Gegner und Befürworter des Projekts haben sich mit Millionen Aufklebern, Buttons und T-Shirts eingedeckt.

Zu vorgerückter Stunde war's beim Fellbacher Herbst. Mit ein paar Viertele hatte so mancher die Diskussionen um Stuttgart 21 hinuntergespült. Und doch ließ das Thema die Besucher nicht los, und sei's nur, weil sie auf dem Heimweg an einem Stand vorbeikamen, der Anstecker verkaufte. "Oben ohne - für Stuttgart 21", "Oben bleiben - kein Stuttgart 21" und "Egal 21" hingen da in trauter Eintracht säuberlich nebeneinander.

Der Absatz jeglicher Devotionalien bricht alle Rekorde. Wohl erstmals seit den 80er Jahren sind Buttons wieder gesellschaftsfähig. Hersteller halten sich mit Zahlen bedeckt, räumen aber ein, dass es sich derzeit um ein glänzendes Geschäft handle. Bestellt wird im Internet, bei Druckereien oder Läden. Sogar Protest-Bier und -Säfte gibt es inzwischen.

Verdienen will man mit den Artikeln nichts

Dazu kommen T-Shirts, die Privatleute für sich selbst machen und die es sonst nirgends gibt. Die Träger des Modells "Ich war bis Sommer Grünen-Wähler" ergänzt durch ein zweites mit der Aufschrift "Ich auch" zum Beispiel hätten anhand der vielen Anfragen zuletzt gute Geschäfte machen können. Ähnliche Modelle gibt es auch bei der Gegnerschaft - in diesem Fall bekommt meist die CDU ihr Fett weg.

Wie viele Pro- und Contra-Artikel mittlerweile unters Volk gebracht worden sind, lässt sich nicht genau sagen, denn einheitlich gesteuert wird die Abgabe weder bei den Gegnern noch bei den Befürwortern. "Das läuft alles dezentral, wir sind schließlich eine Graswurzelbewegung", sagt Christian List, der den donnerstäglichen Lauf für Stuttgart 21 mitorganisiert. Jede Gruppe bestelle selbst, meist im Internet. Allein die Läufer hätten bisher geschätzt 1000 Buttons, 20.000 Aufkleber und zahlreiche Leibchen ausgegeben. Verdienen wolle man damit nichts - die Sprachregelung laute Abgabe "gegen Spende".

Das ist bei den Gegnern genauso. "Die Leute, die die Sachen machen lassen, versuchen, ihre Kosten wieder reinzubekommen", sagt Fritz Mielert von den Parkschützern. Beliebte Buttons seien oftmals schnell vergriffen und später nicht mehr zu bekommen. Matthias Kästner, der seit sieben Wochen den Druck der Aufkleber mit dem durchgestrichenen Ortsschild koordiniert, spricht davon, dass allein in dieser Zeit 450.000 Stück produziert worden seien.

Geschmackloses T-Shirt löst Protest aus

Bei den Befürwortern gibt es auch noch die offiziellen Stellen. "Alles geht weg wie warme Semmeln", sagt Franziska Röhm vom Turmforum im Hauptbahnhof. Buttons verschenke man "kistenweise", zudem seien etwa 750 T-Shirts zum Selbstkostenpreis von je fünf Euro über die Theke gegangen. Auch das Kommunikationsbüro des Projekts mischt mit. Dort haben bereits 40.000 Buttons den Besitzer gewechselt.

Vor Geschmacklosigkeiten sind aber beide Seiten nicht gefeit. Großen Protest hat jüngst ein einzelnes T-Shirt ausgelöst, das bei der Pro-Kundgebung am vergangenen Samstag auf dem Schlossplatz zu kaufen gewesen ist. "Tu ihn unten rein. Stuttgart 21" stand dort eindeutig zweideutig neben einer Frauensilhouette. Das T-Shirt war der Grünen-Landtagsabgeordneten Brigitte Lösch sogar eine eigene Pressemitteilung wert. "Der Verkauf von frauenfeindlichen T-Shirts auf Pro-S-21-Demos ist ein Skandal", heißt es da. List sagt dazu: "Das Bündnis wusste davon vorher nichts. Wir distanzieren uns davon, denn das ist respektlos." Man werde dafür sorgen, dass solche T-Shirts nicht mehr auftauchten.

Doch nicht nur wegen solcher Entgleisungen wirft der reißende Absatz von Buttons, Aufklebern und T-Shirts inzwischen Probleme auf. Bei der Kundgebung der Gegner hat es am vergangenen Samstag zwei Anzeigen gegeben, weil rechtliche Vorgaben nicht erfüllt worden sind. Dort wurden mit nicht verplombten Sammelbüchsen Spenden eingesammelt. Das gilt als Verstoß gegen das Sammlungsgesetz.

Beschwerden gegen Sammlungen

Das oft zitierte "Abgeben gegen Spende" gibt es im formalen Sinne nämlich gar nicht. Entweder wird an Ständen im öffentlichen Raum verkauft - dann braucht es eine Sondernutzungserlaubnis von der Stadt. Oder aber es handelt sich um eine Spendensammlung - für die braucht es in Baden-Württemberg eine Genehmigung, damit der Zweck angegeben und später Rechnung abgelegt werden kann. Zudem müssen die Spendenbüchsen verplombt sein.

Hintergrund der Kontrolle durch Polizei und Stadt sind zunehmende Beschwerden. "Bei uns gehen massive Einwände gegen nicht regelgerechte Sammlungen ein", sagt Alfons Nastold vom Ordnungsamt. Die kommen zum Teil auch von hauptberuflichen Händlern, die Buttons oder T-Shirts verkaufen und ihre Geschäfte durch die Abgabepraxis von Gegnern und Befürwortern eingeschränkt sehen. Deren Argument: An Auflagen, an die sie sich selbst halten müssen, sollen auch Aktionsgruppen gebunden sein.

Wenn's ums Geschäft geht, hört der Spaß eben auf. Selbst nach dem einen oder anderen Viertele auf dem Fellbacher Herbst.