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S 21: Bahn pocht auf "Fortsetzung" des Projekts - Mehrkosten machen Grün-Rot zu schaffen.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn AG will das Projekt Stuttgart21 "unverändert fortsetzen" und sieht sich dabei "im Einklang mit der Rechtslage". Mit dieser Positionierung hat sich der Konzern am Dienstag erstmals offiziell nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg zu Wort gemeldet.

Die Ankündigung der künftigen grün-roten Landesregierung, bis zum Oktober eine Volksabstimmung über die Mitfinanzierung des Landes abhalten zu wollen, sei "in dem unverändert rechtsgültigen Finanzierungsvertrag nicht vorgesehen", kritisiert der Konzern. Der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und SPD-Landeschef Nils Schmid hatten sich vergangene Woche darauf verständigt, dass es erst den sogenannten Stresstest zu Stuttgart21 geben wird und im Anschluss bis spätestens Oktober eine Volksabstimmung. Dieser Fahrplan, der den wochenlangen Streit zwischen Grünen (Projektgegner) und SPD (Projektbefürworter) beendet hat, soll in der Koalitionsvereinbarung am Mittwoch verbindlich fixiert werden.

Mehrkosten durch Baustopp

Die Bahn sieht ihr Projekt durch die angekündigte Volksabstimmung über ein "Ausstiegsgesetz" (Schmid) des Landes bedroht. Daher gehe man davon aus, dass "die zukünftige Landesregierung unmittelbar im Anschluss an ihre Konstituierung den Lenkungskreis einberufen wird, um mit allen Vertragspartnern Beratungen über das weitere Vorgehen aufzunehmen", teilt der Konzern in seiner aktuellen schriftlichen Stellungnahme mit. Kretschmann wird voraussichtlich am 12. Mai im Landtag gewählt.

Der sogenannte Lenkungskreis, der im Rahmen der Finanzierungs- und Realisierungsverträge im April 2009 vereinbart wurde, ist das höchste politische und unternehmerische Gremium zur Steuerung des Milliardenprojekts. Es trifft sich bei allen strittigen Fragen zum Bau, zu Mehrkosten und zur Inanspruchnahme der Risikobudgets. Das Land und seine Partner entsenden fünf Vertreter, unter anderen den Regierungschef und den Stuttgarter OB. Die Bahn entsendet ebenfalls fünf Vertreter, angeführt von Konzernchef Rüdiger Grube.

Der Lenkungskreis darf laut Satzung nur einvernehmliche Voten abgeben. Dieser Umstand dürfte Grünen und SPD schwer zu schaffen machen - immerhin wird Grube bei der ersten Sitzung erhebliche Mehrkosten durch den von den Koalitionären geforderten Bau- und Vergabestopp bis zur Volksabstimmung geltend machen. Die Rede ist von mehr als 200 Millionen Euro; eine Summe, die die Bahn bisher nicht bestätigt. Ein "Hinzurechnen dieser Kosten" auf die vereinbarten maximalen Kosten von 4,526 Milliarden Euro sei aber "nicht zu akzeptieren", warnt jetzt die Bahn. Noch gibt es widersprüchliche Meldungen dazu, wie vor allem die Grünen, die S21 über die Kosten kippen wollen, mit diesen Thema umgehen. "Das muss mit der Bahn besprochen werden", hat Kretschmann vage angekündigt.

Rechtliche Schritte gegen Volksabstimmung

Die CDU im Landtag will gegen die von Grünen und SPD angekündigte Volksabstimmung zu Stuttgart 21 rechtliche Schritte prüfen. "Es liegen klare Hinweise auf Verfassungsverstöße vor", sagte CDU-Fraktionschef Peter Hauk den Stuttgarter Nachrichten. „Wir werden deshalb eine Klage vor dem Staatsgerichtshof prüfen.“

Für den Stuttgarter Rechtsexperten Klaus Peter Dolde ist das Votum über die Mitfinanzierung des Landes an S 21 „nicht möglich“, weil dies eine unzulässige Abstimmung über den Haushaltsplan des Landes darstellen würde. „Auch ein sogenanntes Ausstiegsgesetz, das über die Volksabstimmung erlassen werden soll, ist aus rechtlichen Gründen nicht zulässig“, sagte Dolde unserer Zeitung. Paul Kirchhof, ehemals Richter am Bundesverfassungsgericht, hält die Abstimmung für nicht bindend.

Klageberechtigt vor dem Staatsgerichtshof sind Regierung und Parlament. Nach der konkreten Einleitung der S-21-Volksabstimmung hat die Opposition von CDU und FDP sechs Monate Zeit für eine Verfassungsbeschwerde.