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Stuttgart 21: Einblicke in interne Risikoliste - Vorstand Kefer: Kostenrahmen kann gehalten werden.

Stuttgart/Berlin - Das Bahnprojekt Stuttgart21 ist seit dem offiziellen Baustart im Februar 2010 nach Informationen unserer Zeitung bisher 50 Millionen Euro teurer geworden als geplant. Das geht aus der sogenannten Risikoliste hervor, die der Stuttgarter Projektleiter Hany Azer Ende März an seine Auftraggeber in der Deutschen Bahn AG verschickt hat.

"Ich sehe derzeit keine Anzeichen dafür, dass es der Deutschen Bahn nicht gelingen sollte, den vereinbarten Kostenrahmen bei Stuttgart21 einzuhalten", betonte Infrastrukturvorstand Volker Kefer am Freitag gegenüber unserer Zeitung. Spekulationen über Kostensteigerungen seien "haltlos", ergänzte der Konzern in einer Pressemeldung.

Eine Risikoliste, wie sie Azer nach Berlin und Frankfurt gesandt hat, wird bei jedem Großprojekt der Bahn alle drei Monate erstellt und fortgeschrieben. Darin enthalten sind alle denkbaren Faktoren, die das Projekt teurer machen könnten: schlechtes Wetter, steigende Löhne für die Bauarbeiter, höhere Energiekosten oder höhere Preise für Rohstoffe wie Stahl und Beton.

Insgesamt umfasst die Risikoliste zu Stuttgart21 Positionen in einem Gesamtumfang von rund 1,2 Milliarden Euro. Allerdings ist bisher nur ein Bruchteil dieser Kosten tatsächlich eingetreten, nämlich besagte 50 Millionen Euro. Sie entsprechen einer Kostensteigerung von 1,2 Prozent gegenüber der bisherigen Kalkulation mit einer Investitionssumme von 4,088 Milliarden Euro.

Rund 750 Millionen Euro von den 1,2 Milliarden der Risikoliste sind von der Bahn als sogenannte Einsparpotenziale vorgesehen. Azer und seine Ingenieure wollen vor allem durch eine "Optimierung der Bauwerke" und eine effektivere Baulogistik massiv Kosten sparen. Von den 750 Millionen Euro, die nur parallel zum Baufortschritt erzielt werden können, haben Azer und sein Team bisher rund die Hälfte realisiert. Die Bahn geht davon aus, dass sie eines Tages die volle Summe erreicht. Daran hatten in der Stuttgart-21-Schlichtung nicht nur die Projektgegner, sondern auch ein Wirtschaftsprüfer nach einem tiefen Blick in die internen Bücher der Bahn ihre Zweifel geäußert.

Insgesamt 400 Millionen Euro umfasst die Liste der sogenannten normalen Projektrisiken von Stuttgart21. Dem stehen derzeit Einsparungen von rund 60 Millionen Euro gegenüber. Sicher eingetreten sind die erwähnten 50 Millionen Euro. Im schlimmsten Fall könnten nach Lesart der Bahn noch bis zu 350 Millionen Euro Mehrkosten hinzukommen. Doch selbst dann, heißt es im Konzern, würde die von Bahn-Chef Rüdiger Grube fixierte "Sollbruchstelle" von 4,526 Milliarden Euro nicht durchbrochen.

Unter die Rubrik Projektrisiken fallen auch mögliche Mehrkosten aus der Ausschreibung der großen Tunnel, die bald auf der Tagesordnung stehen. Sollte es hier erheblich teurer werden, müsste Grube im Lenkungskreis von den Partnern Land und Stadt die Freigabe neuer Mittel aus dem derzeit mit rund 450 Millionen Euro gefüllten Risikofonds beantragen.

Mögliche Mehrkosten aus dem laufenden Stresstest sind bisher nicht auf der Risikoliste von Stuttgart21 notiert. Das hatte Grube bei der alten CDU-FDP-Landesregierung erreicht. Die künftige grün-rote Regierung dürfte dies anders betrachten.