Die alte Bundesbahndirektion der Deutschen Bahn in der Jägerstraße. Foto: Leif Piechowski

So wie der Bau von S 21 an Fahrt gewinnt, will die Bahn in Teilen ihrer Informationspolitik Gas geben. Am Freitag ging es unter anderem um die denkmalgeschützte einstige Bundesbahndirektion. Das 100 Jahre alte Gebäude, dem Tiefbahnhof eigentlich im Weg, wird mit gigantischem Aufwand gestützt.

So wie der Bau von S 21 an Fahrt gewinnt, will die Bahn in Teilen ihrer Informationspolitik Gas geben. Am Freitag ging es unter anderem um die denkmalgeschützte einstige Bundesbahndirektion. Das 100 Jahre alte Gebäude, dem Tiefbahnhof eigentlich im Weg, wird mit gigantischem Aufwand gestützt.

Stuttgart - Die Gegner glauben es ihm nicht, die Befürworter umso mehr, und der große Rest zuckt vermutlich mit den Schultern, wenn S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich so viel Transparenz wie möglich verspricht. Der Chef des Kommunikationsbüros hat am Freitag angekündigt, in den nächsten Wochen zu Fragen übers Bahnprojekt detaillierter zu informieren. Im Februar will er Genaueres zur Leitungsfähigkeit des Tiefbahnhofs samt Flughafenanbindung sagen, im April soll es um den vieldiskutierten Brandschutz gehen, auch die Baustellenlogistik ist noch vor Ostern als Thema geplant.

Am Freitag erfuhren Medienvertreter Näheres über die Art und Weise, wie die unterirdischen Gleise unter die denkmalgeschützte ehemalige Bahndirektion gelangen, ohne dass diese abgerissen werden muss. Zudem wollte Dietrich „über erste Erfahrungen sprechen“, jetzt da die ersten Tunnelabschnitte teils über 100 Meter in den Berg gegraben worden sind.

Die Bundesbahndirektion

Wie bitte soll das funktionieren, möchte man einwenden. Bauleiter Ottmar Bögl erklärt, was in den nächsten zwei Jahren mit der einstigen Bundesbahndirektion geschehen soll. Sie ist dem künftigen Tiefbahnhof im Weg, daher sollen sich die Bautrupps in einer für Laien haarsträubend klingenden Aktion unter ihr durchgraben. Der Fronttrakt des 100 Jahre alten Gebäudes soll – weil denkmalgeschützt – stehen bleiben. Als die Bahn vor zwei Jahren das finanziell aus dem Ruder laufende Projekt nach Einsparmöglichkeiten abklopfte, konstatierte Stuttgarts Baubürgermeister Matthias Hahn: Der Erhalt der Bahndirektion „steht für mich wie in Erz gegossen“.

Das koste bis zu zwölf Millionen Euro, sei aber bautechnisch problemlos zu bewältigen, versichert Bauleiter Bögl. Vereinfacht ausgedrückt werden etwa zwei Drittel des verbliebenen Komplexes auf eine 1,5 Meter dicke Brücke aus Beton gelegt, die auf provisorischen Stützen, sogenannten Großbohrpfählen, lagert. Es entsteht eine Art „schwebendes Gebäude“, sagt Bögl.

Aufwendig daran ist, dass das Gebäude statisch neu berechnet und gegebenenfalls stabilisiert werden muss. Kellerwände und Stützen im Gebäude erhalten danach eine Art Ummantelung als Verstärkung. Diese lagern vorläufig auf Dutzenden sechs bis acht Meter kurzen Pfählen. Gleichzeitig werden ums Gebäude herum Großpfähle ins Erdreich getrieben. Erst jetzt entsteht in drei Abschnitten die mit gespanntem Stahl durchsetzte Betonplatte – alles ist bereit, unter der Bahndirektion die Grube für den Tiefbahnhof auszuheben. Hydraulische Pressen auf den großen Pfählen sollen mögliche Bewegungen des Gebäudes ausgleichen. Auf der Betonplatte, im Fachjargon Auffangeplatte genannt, ruht die Bahndirektion auch in Zukunft, wenn der Bahnhof fertig ist.

Das Prozedere sei „sehr, sehr aufwendig und benötigt viel Zeit“, sagt Bögl. Die Sicherung der Bahndirektion soll im Juni mit dem Abbau des Eingangsportals beginnen, der eigentliche Aushub für den Tiefbahnhof in rund zwei Jahren starten. Auch Passanten werde sich dann ein spektakulärer Blick auf die gewissermaßen in der Luft schwebende Bahndirektion eröffnen, so Bögl.

Die Tunnel

Der Tunnelbau für S 21 hat seine erste kritische Situation überstanden – kritisch für die Öffentlichkeit, wie erwartet für die Experten. S-21-Sprecher Dietrich lässt Letzteres den Tunnelbaufachmann, Professor Walter Wittke, erklären. Viel öffentliches Aufsehen hatten die Senkung des Gebäudes der Landeswasserversorgung (LWV) und die daraus resultierenden Risse erregt. Der Untergrund hatte infolge der Vortriebsarbeiten im Berg nachgegeben, allerdings in einem laut Wittke unbedenklichen und bei Tunnelbauten üblichen Maß. Um die zwölf Millimeter hätten die Messungen schließlich ergeben. Die mindestens so wichtige Differenz von Senkungen an verschiedenen Gebäudeecken (also ob das Gebäude leicht kippt) gebe ebenso keinen Anlass zur Sorge. Das Verhältnis der Senkungsunterschiede zum Abstand der Messpunkte ergab laut Wittke Werte zwischen 1/1300 und 1/2000. Bei einem Wert von 1/50 sei mit erheblichen Risse zu rechnen, der Schiefe Turm von Pisa liege bei 1/10. Bernhard Röhrle, Sprecher der Landeswasserversorgung, bestätigt im Kern die Bahn. „Die kritischen Margen wurden nicht unterschritten.“

Wittke erklärt, dass je nach Senkung beim Graben des Tunnels zusätzliche Sicherungsmaßnahmen üblich und wirksam würden. So sei ähnlich dem Fildertunnel auch in Zuffenhausen der Tunnel für die Stadtbahnlinie U 12 gegraben worden – ohne öffentlichen Aufschrei. „Es gibt eben gute und böse Tunnel, und die Bahn baut die bösen“, konstatiert S-21-Specher Dietrich in einem Anflug von Sarkasmus. LWV-Sprecher Röhrle bescheinigt der Bahn immerhin Lernfähigkeit in Sachen Kooperation. Wer nicht zu jeder Zeit alles offenlegt, „verliert das Vertrauen“, schreibt dazu Wittke dem Verkehrskonzern ins Stammbuch.