Der Streit um Stuttgart hat Spuren hinterlassen: Bahn-Technikvorstand Volker Kefer in Stuttgart bei der Erläuterung der milliardenschweren Kostensteigerungen. Foto: dpa

Hat Technik-Vorstand Volker Kefer den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn zu spät über höhere Kosten und drohende Risiken bei Stuttgart 21 informiert? Ist er dafür womöglich persönlich haftbar? Für den 57-jährigen Manager könnten diese Fragen, die vor allem den Bund interessieren, Schicksalsfragen werden.

Stuttgart/Berlin - Fragen zur Zukunft von Vorstand Volker Kefer? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Kein Kommentar“, heißt es momentan in der Zentrale der Deutschen Bahn AG in Berlin. Die Sache Kefer gilt als Tabu in diesen Tagen. „Darüber reden wir nicht einmal innerhalb des Hauses“, gesteht der Mitarbeiter.

„Herr Kefer ist sehr verärgert, er wirkt auch erschöpft und tief enttäuscht“, sagt ein Mann, der den Topmanager in den letzten Tagen aus der Nähe beobachten konnte. Die Frage, die derzeit öffentlich diskutiert wird – ob Kefer zu spät über die Mehrkosten bei S 21 informiert hat und für einen daraus resultierenden Schaden womöglich haftbar sein könnte –, setzt dem 57-jährigen Manager demnach sichtlich zu. „Kefer sieht sich als mutigen Mann, weil er viele Jahre im Voraus vor möglichen Mehrkosten warnt und dafür sogar den Bund mitverantwortlich macht – und zum Dank wird er mit Kritik überhäuft“, sagt der Beobachter. Diesen Sachverhalt könne Kefer nicht verstehen; die Zweifel an seiner Integrität empfinde er geradezu als „Unverschämtheit“.

„Herr Kefer ist nur der Überbringer einer schlechten Nachricht“, sagt ein Aufsichtsrat der Deutschen Bahn. Er vermutet, dass der neue Streit um die Mehrkosten auch „keine personelle Konsequenz“ für Kefer habe. Im Bahn-Konzern wird betont, dass der komplette Vorstand und das Präsidium des Aufsichtsrats zu dem Manager stünden. Doch es gibt auch skeptische Stimmen. „Kefer ist nicht naiv; er weiß, dass es in der Politik Bauernopfer gibt. Ehe er ein solches Opfer wird, könnte er den Job auch von sich aus hinwerfen“, heißt es im Umfeld der Bahn.

Keiner will für weitere Kostenrisiken geradestehen

Am 12. Dezember 2012 hatten Bahn-Chef Rüdiger Grube und der für Stuttgart 21 verantwortliche Technik- und Infrastrukturvorstand Kefer dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG mitgeteilt, dass das Projekt um bis zu 1,1 Milliarden Euro teurer werde. Darüber hinaus drohten weitere Kostenrisiken von bis zu 1,2 Milliarden Euro, für die derzeit niemand geradestehen wolle. Seit diesem Eingeständnis steht vor allem Kefer unter besonderer Beobachtung – bei der Bahn, in Öffentlichkeit, Politik, Medien.

Im Bundesverkehrsministerium hat diese kritische Haltung eine besondere Qualität erreicht. In einem Dossier, mit dem sich der Staatssekretär des Hauses auf die S-21-Arbeitssitzungen im Aufsichtsrat vorbereiten soll, werden dem Manager laut einem Bericht der „Stuttgarter Zeitung“ schwere Versäumnisse vorgeworfen: So habe Kefer dem Aufsichtsrat „über Monate hinweg keinen Hinweis auf die bekannten Dimensionen des Problems gegeben“, heißt es in dem Dossier. Und weiter: „Es sollte geprüft werden, ob diese Verantwortung in konkreten Personen, insbesondere Vorständen, zu verorten ist.“

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat das Dossier am Montag als „Quatsch“ bezeichnet. Die Bahn kennt das Papier bisher nur aus den Medien. In der mehrstündigen Sitzung, bei der Aufsichtsräte Grube und Kefer nach dem Eindruck von Teilnehmern „einer Art von Verhör“ unterzogen haben, soll das Dossier keine Rolle gespielt haben. Das Dossier trage nicht einmal Unterschrift oder Absender, kritisiert Baden-Württembergs SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Er wertet das Dossier als Versuch, das Projekt Stuttgart 21 in Berlin schlechtzureden.

„Wir gehen davon aus, dass wir rechtzeitig informiert haben“

Zum Kernvorwurf hat sich Kefer bereits mehrfach geäußert – unabhängig und zeitlich vor dem Dossier. „Wir haben zu jedem Zeitpunkt das an Kosten dargestellt, was wir wussten“, sagte er am 23. Januar im Interview mit unserer Zeitung. Nach Unterlagen des Vorstands sind Ende 2011 erstmals hohe Mehrkosten aufgelaufen. Darauf wurde ein externes Kostenkontrollprogramm gestartet. Dessen „vorläufige Ergebnisse“ wurden am 9. Oktober 2012 im Vorstand diskutiert. Die Autoren des Dossiers werfen speziell Kefer vor, er habe bereits am 2. Juli 2012 die „vorläufigen Ergebnisse“ gekannt.

Auch aus Unterlagen des Vorstands geht hervor, dass Kefer bereits am 5. Juni 2012 die Vorstandskollegen über „Schwachstellen im Projektmanagement“ von S 21 informiert hat. Ob dabei bereits der Umfang der Mehrkosten genannt wurde, ist unklar. Auch im Lenkungskreis mit Land, Stadt und Region am 22. Oktober 2012 hat Kefer die 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten, die zu großen Teilen aus Planungsfehlern und Fehlkalkulationen der Bahn resultieren und darum vom Konzern übernommen werden sollen, nicht erwähnt. Im Interview sagte Kefer, er habe erst am 20. November einen „stabilen Projektstatus“ berichten können.

„Wir gehen davon aus, dass wir rechtzeitig informiert haben“, heißt es bei der Bahn in Berlin. Einer „etwaigen Überprüfung“ dieser Dinge sehe man mit Gelassenheit entgegen.