Mehr Wert als von der Bahn angenommen: Fläche in der Schützenstraße Foto: Peter Petsch

Die Deutsche Bahn rechnet ihre Entschädigungszahlungen für die von den Stuttgart-21-Bauarbeiten betroffenen Grundstücksbesitzer offenbar klein. Im Fall der Landeswasserversorgung wären 150 Prozent mehr möglich. Insgesamt muss die Bahn 3000 Eigentümer entschädigen.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn rechnet ihre Entschädigungszahlungen für die von den Stuttgart-21-Bauarbeiten betroffenen Grundstücksbesitzer offenbar klein. Insgesamt muss sie bei dem Tiefbahnhof-Projekt 3000 Eigentümer entschädigen.

Im Fall der Landeswasserversorgung (LW) mit ihren Bürohäusern in der Schützenstraße 4 und 6 hat die Bahn als Ausgleich für den darunter gegrabenen Baustollen zuletzt 30 300 Euro angeboten. Der Wasser-Zweckverband hält seit Dienstag dagegen rund 150 Prozent mehr für gerechtfertigt. Exakt berechnet sind es 77 392,66 Euro Entschädigung. Die Differenz von 47 092 Euro zum Bahn-Angebot entspricht einer neuen Mercedes E-Klasse (250 CDI, ohne Sonderausstattung).

Die Bahn hat für den Quadratmeter in der Schützenstraße einen Bodenrichtwert von 860 Euro angesetzt und außerdem ein in Stuttgart bisher noch nicht angewandtes Entschädigungsmodell gewählt. Dieses Rechenmodell war im Auftrag der Bahn für das Projekt Stuttgart 21 von der Firma DIA-Consulting (Freiburg) entwickelt worden. Bei Tunnelbauten wurde bisher, zum Beispiel vom Tiefbauamt oder den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) nach dem Münchener Verfahren entschädigt. Die SSB wendet dieses auch weiterhin an.

Um den strittigen Ausgleich zu klären hatte die Landeswasserversorgung Ende 2013 bei der Landeshauptstadt ein Gutachten in Auftrag gegeben. Zuvor hatte der LW-Verwaltungsratsvorsitzende, Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) vermittelt und einen von der LW ausgelösten Baustopp beendet. Aufgebracht hatte das Thema die LW-Verwaltungsrätin Gabriele Munk. Die Architekten wollte nicht akzeptieren, dass der Zweckerverband LW auf Geld verzichtet und damit einen Vermögensschaden erleidet.

Das Gutachten, über das der LW-Verwaltungsrat am Dienstag bei seiner Sitzung in Langenau informiert wurde, nennt einen „angepassten Bodenrichtwert“ von 1338 Euro je Quadratmeter. Die Differenz zu den 860 Euro lässt sich erklären: „Wir haben auf unserem Grundstück eine sehr dichte Bebauung mit sieben Stockwerken, die alle mit Büros belegt sind“, sagt LW-Sprecher Bernhard Röhrle. Der von der Bahn angesetzte Richtwert bilde nur eine Bebauung mit kleineren Mehrfamilienhäusern ab. Er passt also nicht generell. Grundsätzlich wären auch Abweichungen nach unten möglich. Das LW-Beispiel zeigt, wie sehr die für ein jeweils größeres Gebiet ausgewiesenen Bodenrichtwerte im Einzelfall danebenliegen können.

Die Geschäftsführung der Landeswasserversorgung hat am Dienstag den Auftrag erhalten, mit der Bahn „auf der Grundlage der jetzt vorliegenden Daten in Kontakt zu treten und zu verhandeln“, sagt Röhrle. Zunächst müsste erreicht werden, dass die Bahn den angepassten Bodenrichtwert akzeptiert. Verhandelt werden soll aber auch über die Berechnungsmethodik. Diese war von der Bahn im LW-Fall geändert worden. 2011 hatte der Schienenkonzern noch, auf der Grundlage des Münchener Verfahrens, 49 744,16 Euro angeboten, zwei Jahre später reduzierte die Bahn auf 17 000 Euro. Nach Verhandlungen bot sie 30 300 Euro an.

Wird der neue, angepasste Bodenrichtwert mit dem Münchner Verfahren auf die Fläche (739 Quadratmeter) bezogen, ergeben sich die 77 392 Euro. Eine Zahl, die der LW-Sprecher Röhrle nicht nennt. Die aber von Mitgliedern des Verwaltungsrates mit „es geht um rund 75 000 Euro“ bestätigt wird. Einigt man sich nicht, muss das Regierungspräsidium entscheiden. Dagegen kann jede Partei vor Gericht vorgehen. Dabei würde ein Musterprozess entstehen. Auf das Urteil könnten andere Grundstückseigentümer und die Bahn sich beziehen.

Ebenfalls nicht akzeptiert hat die LW die von der Bahn geforderte Grunddienstbarkeit. Sie würde gravierende Einschnitte in der späteren Nutzung des Hanggrundstücks bedeuten. Eine neue Bebauung wäre dann nur mit hohen Mehrkosten zu realisieren.