Ungewohnter Ort: Von Stuttgart 21 betroffene Bürger erörtern im Musical-Theater im Möhringer SI-Centrum Auswirkungen des Grundwasser-Managements. Foto: Leif Piechowski

Noch bis Donnerstag wird im Apollo-Musical-Theater im Möhringen über Stuttgart 21 verhandelt. Die Bahn will für den Tiefbahnhofbau im Schlossgarten doppelt so viel Grundwasser abpumpen wie bisher genehmigt. Hausbesitzer befürchten Schäden an ihrem Eigentum.

Stuttgart - Statt eines „himmlischen Musical-Vergnügens“ (so das Werbeversprechen des Veranstalters für „Sister Act“) verhandelten Experten und Bürger am Montag im Apollo-Musical-Theater in Möhringen die ganz irdischen Probleme des Bahnprojekts Stuttgart 21. Dabei wurde deutlich, dass das Schienenunternehmen unter erheblichem Zeitdruck steht. Die Bahn hatte dem für das Verfahren zuständigen Regierungspräsidium (RP) mit einer einstweilige Anordnung gedroht, wenn die Erörterung von 10 000 Einwendungen nicht zügig begonnen wird. Einem solchen Antrag folgt in der Regel eine Klage. „Es gab von uns aber keine Klageandrohung“, sagte der Anwalt Josef-Walter Kirchberg für die Bahn.

Das Erörterungsverfahren war vom RP für Mitte Juli angesetzt worden, obwohl abschließende Stellungnahmen der Stadt und des Landeamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Freiburg) zum Grundwasserthema fehlen. Die Bahn will für den Bahnhofsbau statt der seit 2005 genehmigten bis zu drei nun im Schlossgarten bis zu 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser abpumpen. So sollen die Baugruben sicher trocken gehalten werden. Die beiden Behörden wollen sich bis Ende Juni äußern. Das Umweltministerium unter der Führung von Franz Untersteller (Grüne) hatte gegen den Termin im Juli opponiert und eine Debatte im September empfohlen.

Neben den abschließenden Stellungnahmen fehlt für die mehr als verdoppelte Grundwasserentnahme aus Sicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder zumindest eine Vorprüfung. Bereits ab 100 000 Kubikmeter Wasserentnahme sei diese vorgeschrieben, sagte BUND-Bezirksgeschäftsführer Gerhard Pfeifer. Die Prüfung habe schon vor Jahren stattgefunden, durch erhöhte Wasserrechte trete nun keine relevante Änderung ein, sagte Kirchberg. Und „wenn eine Prüfung nötig ist, dann ist das unser Risiko“, so der Anwalt. Dann werde das jetzige Verfahren eben neu aufgerollt werden müssen. Entscheiden wird dies das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) als Genehmigungsbehörde. Er wolle mit seinem Vertagungsantrag nur vermeiden, dass sich Bahn, Eba und BUND erneut vor Gericht treffen müssten, so Pfeifer.

Nur rund 280 Bürger hatten zu der Erörterung gefunden

Betroffene Anwohner und organisierte Stuttgart-21-Gegner versuchten am Montag die Erörterung durch gut ein Dutzend Anträge auf Befangenheit gegen den Verhandlungsleiter Joachim Henrichsmeyer, gegen Regierungspräsident Johannes Schmalzl (FDP), und gegen Innenminister Reinhold Gall (SPD) zu stoppen. Der BUND beantragte Vertagung, bis alle Stellungnahmen und Gutachten vorlägen. Die Anträge gegen Henrichsmeyer, über die Schmalzl entschied, kamen nicht durch. Die gegen Schmalzl und Gall müssen laut Innenministerium „sorgfältig geprüft“ werden. Aufschiebende Wirkung haben sie nicht.

Statt erwarteter bis zu 1800 hatten am Montag nach einer Zählung des Theatervermieters nur rund 280 Bürger zu der Erörterung gefunden. Trotz der geringen Zahl hatte der Henrichsmeyer, der Jurist ist, erhebliche Probleme, überhaupt ein geordnetes Verfahren auf den Weg zu bringen. Der Regierungsdirektor gab nicht nur ein paar Verhaltensregeln wie „heiße Getränke zur Vermeidung von Schüttverlusten bitte draußen einnehmen“ oder „Taschen unter den Sitz, der Brandschutz ist ein wichtiger Faktor“ aus. Er belehrte auch, wenig souverän, in einer teils rüden Art. Er erwarte Respekt, sagte Henrichsmeyer, wenn er rede hätten andere Sendepause.

Nach der Mittagspause legten Henrichsmeyer, aber auch Teile des Publikums nach. „Wenn sie aufgepasst hätten, wüssten sie, bei welchem Punkt wir sind, wir sind bei Punkt zwei“, fuhr er eine Frau an. Die zuvor schon abschätzigen Zwischenrufe aus dem Parkett schwollen daraufhin an. Als der Regierungsdirektor erklärte, bis 22 Uhr debattieren zu wollen, zeigten sich einige Zuhörer überrascht. 13 Stunden Erörterung hätten sie nicht eingeplant. Auch dem BUND war das zu viel. Man werde zwar die Montagsdemonstration nicht besuchen, aber um 18.30 Uhr gehen, sagte das Vorstandsmitglied Peter Deimel.