Bahn-Chef Rüdiger Grube sieht in Stuttgart 21 den "modernsten Bahnhof der Welt". Foto: dpa

Streit über wahre Kosten - IHK widerspricht Bericht über geheimes Gutachten.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn (DB) hat am Freitag scharf dementiert, dass es ein geheimes Papier gibt, das die Kosten für eine Modernisierung des heutigen Hauptbahnhofs als Alternative zu Stuttgart 21 deutlich niedriger ansetzt als bisher behauptet.

Die "Frankfurter Rundschau" berichtet in ihrer Freitagausgabe über ein "geheimes, internes DB-Papier für Konzernchef Rüdiger Grube vom Dezember 2009", das beweise, dass "die Alternative zu Stuttgart 21 - die Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs - mit 340 Millionen Euro bis 2020 einen Bruchteil der S-21-Summen" kosten würde. Außerdem zeige das Geheimpapier, dass ein Ausstieg aus Stuttgart21 "viel günstiger" sei als seither behauptet. So beliefen sich die bisher entstanden Kosten auf "gerade mal 73 Millionen Euro", heißt es in der Tageszeitung aus Frankfurt.

"Es gibt kein derartiges Geheimpapier", erklärte ein Sprecher der Bahn am Freitag gegenüber den Stuttgarter Nachrichten. "Auch die Zahlen, die in dem Zeitungsbericht genannt werden, kennt die Deutsche Bahn nicht. Diese Zahlen sind für uns in keinster Weise nachvollziehbar."

Ein Ausstieg aus Stuttgart21 würde nach Konzernangaben 1,4 Milliarden Euro kosten. Diese Summe wurde am Freitag von Wolfgang Drexler, Sprecher des Bahnprojekt Stuttgart-Ulm und SPD-Landtagsvizepräsident, nochmals bestätigt. "Die Kosten für einen Ausstieg wären immens", sagte Drexler. Die von der Zeitung angeführten 73 Millionen Euro seien "völliger Unsinn".

Die bisherigen Planungskosten, die bei einem Projektstopp verloren wären, belaufen sich nach den Berechnungen der Bahn auf 440 Millionen Euro. Hinzu kommen bereits erteilte Aufträge an Bau- und Planungsfirmen von 240 Millionen Euro. Die Kosten für eine Rückabwicklung des Grundstückverkaufs aus dem Jahr 2001, als die Stadt der Bahn bereits 459 Millionen Euro für erst nach der Fertigstellung von Stuttgart21 freiwerdende Bahn-Grundstücke überwiesen hatte, beziffert die Bahn mittlerweile mit 760 Millionen Euro.

Die Bahn bestreitet, die IHK widerspricht

Ob Kosten aus einem revidierten Grundstücksgeschäft einem Projektabbruch komplett zugeschlagen werden könnten, ist aber umstritten - schließlich erhielte die Bahn die Grundstücke zur eigenen Vermarktung zurück. Unklar ist auch, wie die 112 Millionen Euro verrechnet würden, die der Flughafen Stuttgart der Bahn im Sommer 2008 ohne konkrete Gegenleistung für eine bessere Wirtschaftlichkeit von Stuttgart 21 gezahlt hat.

Die Darstellung, wonach sich der bestehende Kopfbahnhof innerhalb eines Jahrzehnts mit einem Aufwand von 340 Millionen Euro modernisieren lässt, wird von der Bahn bestritten. In der Summe sei weder die Anbindung an die auch von Projektgegnern gut geheißene ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, noch die fällige Sanierung der innerstädtischen Zulaufstrecken zum Hauptbahnhof enthalten. Offen ist auch, ob die Anbindung des Flughafens, die in Stuttgart21 enthalten ist, nicht ebenfalls Teil einer alternativen Kostenbetrachtung sein müsste.

Neben hinlänglich bekannten Gutachten nennt der Zeitungsbericht aus Frankfurt auch eine "bisher verschwiegenen Studie" für die IHK Region Stuttgart. Dieser Darstellung widerspricht am Freitag die IHK: "Die Studie ist im Juli 2009 veröffentlicht worden; die wesentliche Ergebnisse sind seitdem im Internet öffentlich zugänglich", teilt die Kammer mit. Die Studie kommt auch inhaltlich zu anderen Schlüssen, als es der Zeitungsbericht nahe legt.

Nach Lektüre der Zeitung aus Hessen haben die Grünen in Baden-Württemberg die Bahn aufgefordert, "echte Zahlen" zu Ausstieg und Kopfbahnhof auf den Tisch zu legen. Unterschiede zwischen den Summen aus dem "Geheimpapier" und den Summen, welche die Bahn errechnet habe, seien "nicht erklärbar", sagt der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Werner Wölfle.

Die Absage von Bahn, Land und Stadt an einen Stuttgart-21-Gipfel wird von den Grünen als "nicht nachvollziehbar" kritisiert.