Peter Dübbers, Enkel des Erbauers des Stuttgarter Hauptbahnhofes, vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart. Foto: dpa

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Klage des Bonatz-Enkels Peter Dübbers abgelehnt.

Stuttgart -

Stuttgart - Das Oberlandesgericht Stuttgart hat  im Urheberrechtsstreit um den Teilabriss des alten Hauptbahnhofs für die Bahn entschieden. Sie darf damit nach dem Nord- auch den Südflügel abreißen und im Innern des Hauptbaus die große Freitreppe entfernen. Beim Bahn-Projekt Stuttgart21 steht dem Neubau des Tiefbahnhofs nach den Plänen des Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven nach dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) aus juristischer Sicht nichts mehr im Weg.

Der mit drei Richtern besetzte 4. Zivilsenat unter Vorsitz von Hansjörg Lohrmann hat die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) nicht zugelassen. Sie könnte vom Kläger Peter Dübbers - er ist Enkel des Bahnhofs-Architekten Paul Bonatz - mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angestrengt werden. Ob er diesen Schritt geht, ließen der 71-Jährige und dessen Anwalt Rainer Jacobs kurz nach der Urteilsverkündung um 17Uhr noch offen.

77 Seiten starke juristische Würdigung

Dübbers hatte nach der ersten Klageabweisung durch das Stuttgarter Landgericht vor wenigen Monaten den zweiten Anlauf gewagt. Er investierte für das Verfahren bisher 25.000 Euro eigenes Geld und erhielt rund 75.000 Euro Spenden. Das Spektrum liege zwischen fünf und einmalig 5000 Euro, sagte Dübbers, der selbst Architekt ist.

Dübbers wandte sich in der unter hohen Sicherheitsauflagen geführten, dreistündigen und von nur rund 30 Zuhörern verfolgten Verhandlung erneut nicht grundsätzlich gegen das Projekt Stuttgart 21. Der neue Durchgangsbahnhof in Tieflage könnte aus seiner Sicht aber auch dann gebaut werden, wenn die Seitenflügel des alten Bahnhofs erhalten blieben. Dübbers lieferte dazu sogar eigene Planungsskizzen. Nach dem Abriss des Nordflügels hat er seine Unterlassungsklage gegen die Bahn verändert: Das OLG sollte die Bahn dazu verurteilen, den abgerissenen Gebäudeteil wieder aufzubauen.

Das Oberlandesgerichts machte sich seine Entscheidung erkennbar nicht leicht. Der Senat hatte zur Vorbereitung eine 77Seiten starke juristische Würdigung erarbeitet. In der Verhandlung ging es vor allem um drei Fragen: "Verblasst" das erst 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers eines Kunst- oder Bauwerks endende Urheberrecht mit der Zeit? Bei nur noch 16 Jahren "Restlaufzeit" (Bonatz starb 1956) "wiegt es leichter", sagte Bahn-Anwalt Winfried Bullinger. Diese Einschätzung ist für Dübbers' Anwalt Jacobs "ein fataler Fehler", der Bundesgerichtshof habe diese These nie bejaht.

Bleibt die Möglichkeit der Schadenersatzklage

Im zweiten Punkt ging es darum, ob ein Eigentümer, also die Bahn, ihren Besitz verändern darf, wenn sich der "Gebrauchszweck" verändert. Das Urheberrecht setzte "keine absolute Schranke gegen Veränderungen", sagte Bullinger. Der veränderte Gebrauch allein dürfe aber nicht zu gravierenden Veränderungen am Gebäude führen. Vor allem dann nicht, wenn die Seitenflügel gar kein Hindernis für die Zweckänderung darstellten, sie erhalten werden könnten.

Die dritte Frage drehte sich um Alternativen. Die Bahn bestreite nicht, dass ein Entwurf mit Seitenflügeln möglich gewesen wäre. Der stehe aber nicht zur Debatte, so Bullinger. Der Standpunkt des Klägers: "Es muss einen Plan B geben, der die Interessen des Urhebers schützt." Das "Sonderproblem der Alternativen" beschäftigte das Gericht. Der Bundesgerichtshof habe dazu zwei Sätze niedergeschrieben, "die nicht gut zueinander passen", sagte Richter Lohrmann in der Verhandlung. Im Urteil fand er dennoch auch dazu klare Worte: Alternativpläne seien "ohne Bedeutung".

Bleibt die Möglichkeit der Schadenersatzklage

Den Verweis der Bahn-Seite auf horrende Kosten und die "Hebelwirkung" eines Urteils "auf das Gesamtprojekt Stuttgart 21" ließ das Gericht kalt: Stuttgart 21 sei nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Als der Bahn-Anwalt die Wichtigkeit des Städtebaus, also die Rolle der Stadt im Verfahren und die Pläne für einen neuen Stadtteil betonte, warnte Lohrmann ihn: Das Argument Städtebau habe "eine gewisse Gefährlichkeit". Das Gericht betrachte den Städtebau aber nicht, weil der Urheberrechtsstreit allein zwischen der Bahn und dem Bonatz-Enkel geführt werde. Die Stadt sei dabei "nicht als Dritter mit im Boot".

Richter Hansjörg Lohrmann begründete das Urteil, was in Zivilprozessen völlig unüblich ist. Das Erhaltungsinteresse müsse hinter den überwiegenden Änderungsinteressen der Bahn zurücktreten, auch wenn der künstlerische Wert, die "Schöpfungshöhe" des alten Hauptbahnhofs, außer Zweifel stehe. Das Erhaltungsinteresse sei mehr als 54 Jahre nach dem Tod des Urhebers zudem "abgeschwächt". Peter Dübbers bleibt nach dem Urteil auch die Möglichkeit einer Schadenersatz-klage. "Die Beseitigung des Lästigkeits- Effekts wäre der Bahn sicher viel Geld wert", sagt sein Anwalt. Die Bahn hat den Richterspruch noch im Saal begrüßt. Der zentrale Teil des Bonatz-Baus bleibe erhalten und werde "Hand in Hand mit der Denkmalschutzbehörde" restauriert.