Im Tiefbahnhof wird es nun doch keine Fluchttreppen auf den Bahnsteigen geben. Foto: Aldinger & Wolf

Die Deutsche Bahn hat ihre Pläne für den Brandschutz und die Entrauchung des Tiefbahnhofs umgekrempelt. Man habe damit „eine deutliche Erhöhung des Sicherheitsniveaus des neuen Hauptbahnhofs erreicht“.

Stuttgart - Die Bahn nimmt bei ihrem Projekt Stuttgart 21 eine dritte, erneut gravierende Änderung bei der Entrauchung des Tiefbahnhofs vor. Die acht störenden Fluchttreppenhäuser auf den vier Bahnsteigen entfallen, die Rettungswege werden nicht mehr auf das Bahnhofdach führen. Dafür soll es jetzt je vier Fluchttreppen an den Enden der 440 Meter langen Bahnsteige geben. Die Bahn will entsprechende Änderungsanträge beim Eisenbahn-Bundesamt (Eba) einreichen, zu einer Bauverzögerung soll es deshalb nicht kommen.

Neu konzipiert hat die Bahn auch Zuluft- und Abluftrichtung im Brandfall und die Dimension der Gebläse, die bei Feuer nun pro Sekunde bis zu 1000 Kubikmeter Frischluft in den Tiefbahnhof blasen sollen. „Wir hätten es uns einfach machen und so bauen können wie genehmigt, aber wir haben unserem ersten Planer gekündigt und die ganze Anlage nochmals umgeplant“, sagte der Bahn-Brandschutzbeauftragte Klaus-Jürgen Bieger am Montag bei einem Pressegespräch. „Wir haben die Bestätigung, dass das neue Konzept funktioniert“, so Bieger.

Änderungen mit Berufsfeuerwehr abgestimmt

Offenbar gab es beim Thema Sicherheit Luft nach oben. „16 000 Menschen müssen da sicher rauskommen“, sagte Bieger, „deswegen werden die Kapazitäten erhöht“. Alle Änderungen seien mit dem Arbeitskreis Brandschutz, in dem auch die Stuttgarter Berufsfeuerwehr vertreten ist, abgestimmt.

Bei ihrem Konzept nimmt die Bahn eine Brandlast von 53 Megawatt an. Das entspricht laut Bieger einem komplett brennenden Reisezugwagen. Für die Reisenden sei dabei weniger die Hitze als der Rauch lebensgefährlich. Dieser soll ausschließlich über die 28 Lichtaugen im Bahnhofsdach entweichen. Ihre Glasflächen öffnen sich im Brandfall. „Jedes Lichtauge hat einen eigenen Rauchmelder, von Gruppenlösungen sind wir abgekommen“, so Bieger. Eine Detektionsanlage soll über Sensoren den Standort des brennenden Wagens erfassen. Am Nord- oder Südende oder aber an beiden laufen dann die Gebläse an, die den Rauch in die eine oder andere Richtung drücken, und zwar dadurch, dass pro Sekunde etwa 330 Kubikmeter Frischluft eingeblasen werden. Dieser Wert sei das Optimum, so Bieger: „Viel hilft in diesem Fall nicht viel, sonst wird der Rauch verwirbelt.“

Mit dieser Technik bleibe immer ein Teil des Bahnhofs rauchfrei, und zwar dauerhaft. Je nach Nähe zum Brandherd könne die Entfluchtungszeit für die letzten der 16 000 Reisenden 15 Minuten oder länger dauern. Bis der Rauch in der großen Halle auf 2,50 oder 1,50 Meter über den Bahnsteigen absinke „muss der Brandbereich entfluchtet sein“, so der Experte.

Der südliche Eingang wird größer

Nach spätestens 22 Minuten soll die Berufsfeuer einsatzbereit in der Halle stehen. Löschwasser ist dort und auch in den an die Halle anschließenden Tunneln vorhanden. Es wird mit Wasser gefüllte Leitungen geben, und zwar in drei getrennten Systemen, eines für den Bahnhof, zwei für die Tunnel, so Bieger. Um die gefüllten Leitungen in den Tunneln hatte die Feuerwehr lange gestritten.

Durch die Fluchttreppenhäuser an den Enden des Bahnhofs seien die Bahnsteige frei von Hindernissen. Statt bis zu 14 müssten bis zum Ausgang nur bis zu acht Meter Höhendifferenz überwunden werden. Von außen sollen die Änderungen bis auf die Vergrößerung des glasüberwölbten Zugangs an der Willy-Brandt-Straße kaum sichtbar sein. Bei den Lüftungsbauwerken an der Heilbronner- und Willy-Brandt-Straße und beim Pragtunnel gebe es größere Querschnitte, die Anpassungen blieben aber im Untergrund.

Anwohner fürchten extrem laute Gebläse

Die Idee der Fluchttreppen am Bahnhofsende sei nicht abgekupfert, sagt Florian Bitzer für die Bahn. Der Stuttgarter Architekt Uwe Eggert hatte diese Idee für sich in Anspruch genommen. Er fordert auch, den Eingang von der Willy-Brandt-Straße in Richtung Bahnhof zu schieben. Es habe „eine Diskussion über die langen Gänge vom Eingang zum Bahnhof gegeben“, so Bitzer, man wolle den Ein- und Ausgang aber nahe am neuen Stadtbahnhalt Staatsgalerie und nicht direkt im Park haben.

Das Netzwerk von Anwohnern im Kernerviertel hat die neue Planung in Teilen kritisiert. So sei das Gebläse an der Willy-Brandt-Straße mit bis zu 139 Dezibel laut wie ein Düsentriebwerk. Einmal im Jahr müsse es testweise voll laufen, die Lärmberechnungen seien lückenhaft. Bieger bestätigte den jährlichen Test, nannte bei Volllast aber maximal 85 Dezibel. Er sieht „keine Hinderungsgründe für die Genehmigung“.