Millionen oder Milliarden? Verkehrsministerium nimmt den Schlichterspruch aufs Korn.

Stuttgart - Im Konflikt um die Kosten für einen möglichen Ausstieg aus dem Bahnprojekt Stuttgart 21 ist jetzt der Schlichterspruch von Heiner Geißler ins Visier des Verkehrsministeriums geraten.

Zum Abschluss der S-21-Schlichtung im Stuttgarter Rathaus hatte Geißler im November 2010 auch die Diskussion zu den möglichen Ausstiegskosten resümiert. Bei einer Plausibilitätsprüfung habe eine von drei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften diese auf eine Milliarde Euro beziffert, "die anderen zwei gehen sogar von Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro aus", hatte Geißler erklärt und kommentierend ergänzt: "Das ist viel Geld dafür, dass man am Ende nichts bekommt."

Das Verkehrsministerium weist jetzt darauf hin, dass eine der drei Prüfer, die Märkische Revision, die Ausstiegskosten auf nur 453 Millionen Euro beziffert habe. Allerdings blieben dann Planungskosten in Höhe von rund 200 Millionen Euro unberücksichtigt. Zusammenfassend hatte die Märkische Revision im November 2010 daher festgestellt, dass die Ausstiegskosten "im ungünstigsten Fall" 653,1 Millionen Euro umfassen. Ein Jahr später legte die Märkische Revision nun im Auftrag des Verkehrsministeriums ein Papier vor, in dem die Kosten mit nur noch 350 Million Euro angegeben werden. Der Tübinger OB Boris Palmer (Grüne) hingegen, einer der profiliertesten S-21-Gegner, hatte vergangene Woche bei einem Vortrag in Vaihingen/Enz laut "Mühlacker Tagblatt" Ausstiegskosten von einer Milliarde Euro genannt.

Der Konflikt entzündet sich vor allem daran, ob 708 Millionen Euro, die die Bahn der Stadt Stuttgart für erworbene Grundstücke zurückerstatten müsste, als Ausstiegskosten anzurechnen sind. Für die Wirtschaftsprüfer von PwC sowie jene von Susat und Partner ist dieses plausibel, für die Märkische Revision nicht. Die Bahn AG hat stets erklärt, dass sie diese Kosten beim Land einklagen werde, falls dieses den S-21-Vertrag kündige.

Das von der SPD geführte Justizministerium hatte das von den Grünen besetzte Verkehrsministerium vergeblich davor gewarnt, in einer Infobroschüre für alle Haushalte Ausstiegskosten von nur 350 Millionen Euro zu nennen: Bei einem Rechtsstreit nach einem Projektausstieg drohe dem Land "eine unbegrenzte Haftung für alle den Vertragspartnern entstandenen Schäden".