Übt scharfe Kritik an den Grünen: Christoph Ingenhoven Foto: dpa

Als Christoph Ingenhoven vor knapp 20 Jahren den Architektenwettbewerb um ein Bahnhofsprojekt namens Stuttgart 21 gewann, knallten die Sektkorken. Seither hat sich bei dem Bauexperten Ärger angestaut - dem macht er nun etwas Luft.

Stuttgart - Die Absage von Grünen-Spitzenpolitikern für die Grundsteinlegung von Stuttgart 21 löst beim Architekten des Bahnhofsprojekts, Christoph Ingenhoven, Kopfschütteln aus. Sowohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann als auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne) hatten abgesagt. „Das ist für mich unverständlich“, sagte Ingenhoven der Deutschen Presse-Agentur. Kretschmann und Kuhn hatten ihre Absagen mit anderen Terminen begründet.

Lesen Sie hier die Geschichte des Jahrhundertprojekts Stuttgart 21 in unserer Timeline.

Der Festakt am Freitag sei ein wichtiger Schritt in einem staatlich subventionierten Großprojekt, das die Zustimmung der Volksvertreter und auch direkt der Bevölkerung bekommen habe, sagte Ingenhoven. Er sieht die Absage als Beleg, dass es politischen Entscheidungsträgern noch immer an der notwendigen Sachlichkeit beim Thema S21 mangele. Mit Blick auf den Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der ebenfalls nicht kommt, sagte Ingenhoven: „Da wird eine persönliche Agenda verfolgt, anstatt eine mehrmalige Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren.“

Schockiert über Absagen

Anstelle der Grünen-Spitzenpolitiker nehmen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und der für Wirtschaft zuständige Stuttgarter Bürgermeister Michael Föll (beide CDU) teil. „Die Absagen [der Grünen] sind auch deshalb erschreckend, weil sie zeigen, dass auch heute noch kein Miteinander in diesem Projekt erreicht ist“, empört sich Ingenhoven. Es zeige zudem, dass mit einem so wichtigen Projekt nicht angemessen umgegangen werde - „und dies zum Nachteil der Stadt Stuttgart“, so Ingenhoven.

Der Architekt aus Düsseldorf hatte 1997 bei einem Wettbewerb den Zuschlag bekommen mit seinem Modell. Heute ist der 56-Jährige für den Bau des eigentlichen Bahnhofs zuständig. Der Kostenrahmen für S21 liegt bei rund 6,5 Milliarden Euro, Kritikern zufolge drohen aber Gesamtkosten von bis zu zehn Milliarden Euro. Wird es wirklich teurer? Er sei nur für einen Teil des Baus zuständig, „und bei uns sind die Kostenmehrungen sehr überschaubar“, sagt Ingenhoven.

„Unehrliche“ Diskussion

Die Diskussion um die mögliche Kostensteigerung findet Ingenhoven „unehrlich“, schließlich läge dies vor allem an der „jahrzehntelangen politischen Diskussion“. „Dadurch wurden Genehmigungsabläufe langwierig und es gab zusätzliche Wünsche, wodurch umgeplant werden musste.“ Dies seien neben der reinen Verlängerung des Planungsablaufes die „wichtigen Gründe“ für bisherige oder eventuelle zukünftige Kostensteigerungen. Zudem hätten sich gesetzliche Vorgaben etwa zur Sicherheit verändert, wodurch unter anderem Brandschutz-Maßnahmen teurer geworden seien, sagte der Architekt.

Noch immer finden in Stuttgart Montagsdemos statt, an den sich mitunter etwa 1000 Menschen beteiligen. Der Protest gegen S21 ist also deutlich schwächer als 2010/11, aber noch vorhanden. Die Vorschläge der S21-Gegner, das Bauvorhaben doch noch in einen modernisierten Kopfbahnhof zu wandeln, hält Ingenhoven für realitätsfern. „Das hätte doch nur die Nachteile beider Lösungen - man hätte ebenfalls enorme Kosten, aber keine freien Flächen für die dringend notwendige städtebauliche Ergänzung Stuttgarts.“

„Verschwörungstheorien“ ohne Wahrheitsgehalt

Die Vorwürfe der S21-Gegner, wonach das Projekt gefährlich für die Umwelt sei, hält Ingenhoven für „Verschwörungstheorien“ ohne Wahrheitsgehalt. „Noch immer tritt man uns Planern aggressiv gegenüber auf und tut so, als seien wir entweder unfähig oder führten Böses im Schilde.“ Nach Darstellung von Ingenhoven tut die Bahn „alles Erdenkliche“, um Mehrkosten zu vermeiden. „Die Bahn zahlt einen großen Teil des Projekts mit Eigenmitteln und hat selbst das größte Interesse, die Kosten einzuhalten“, sagt der Architekt. „Warum sollte sich die Bahn also selbst belügen und sagen, wir schaffen das für maximal 6,5 Milliarden Euro, wenn sie es selbst nicht für realistisch hielte - was hätte sie denn davon?“