Projektgegner fordern Auskunft von der Bahn. Foto: Max Kovalenko

Für ihr Projekt Stuttgart 21 will die Bahn mehr Grundwasser aus dem Schlossgarten pumpen als bisher erlaubt. Betroffene Anwohner fordern Sicherheiten und die Offenlegung von Messdaten. Sie kritisieren, dass Überwachungsbehörden am umstrittenen Grundwasser-Modell mitarbeiteten.

Für ihr Projekt Stuttgart 21 will die Bahn mehr Grundwasser aus dem Schlossgarten pumpen als bisher erlaubt. Betroffene Anwohner fordern Sicherheiten und die Offenlegung von Messdaten. Sie kritisieren, dass Überwachungsbehörden am umstrittenen Grundwasser-Modell mitarbeiteten.

Stuttgart - Die Bahn drängt auf die Genehmigung, für den Tiefbahnhofbau 6,8 statt der bisher erlaubten drei Millionen Kubikmeter Grundwasser aus dem Schlossgarten abpumpen zu dürfen. Je nach Wasserandrang soll die Grenze über einen „Petrusfaktor“ nach oben offen gehalten werden. Anwohner vom nahen Ameisen- und Kriegsberg und Gegner der Projekts Stuttgart 21 befürchten dadurch Hangbewegungen und sehen ihren Besitz bedroht.

Am Donnerstag, dem letzten Tag der so genannten Erörterung zum Grundwasser, setzten die rund 200 Teilnehmer gegenüber dem Regierungspräsidium (RP) durch, dass nicht nur über Lärm, Erschütterungen und verkehrliche Belange der erweiterten Grundwasserentnahme gesprochen wurde. Gertrud Bühler und Michael Trippen, beim RP für Planfeststellung, also Baugenehmigungsverfahren zuständig, wollten die Debatte auf diese drei Punkte begrenzen, lenkten aber ein. Das RP entscheidet nicht. Es bereitet die Debatte und Unterlagen für das entscheidende Eisenbahn-Bundesamt (Eba) auf. Trippen betonte, dass das RP seine Empfehlung an das Eba veröffentlichen werde. Das ist ein Novum. Trippen wies auch darauf hin, dass das Eba dem RP-Vorschlag aus 2005, den Tiefbahnhof- und Tunnelbau erst dann zuzulassen, wenn alle Teilabschnitte genehmigt seien, nicht gefolgt sei.

Neben Befangenheitsanträgen hatten die RP-Juristen am Donnerstag gleich zu Beginn im Kongresszentrum der Messe die Brüllattacke eines Projektgegners aus Leinfelden-Echterdingen zu überstehen. Er titulierte die Versammlungsleiter als Gesetzesbrecher, Verbrecher und Menschen, die „auf Befehl von oben“ alles durchsetzen würden. Bühler und Trippen reagierten besonnen mit einem halbstündigen Saalverweis. Bühler erklärte außerdem, dass „nach den gesetzlichen Vorschriften auf eine Erörterung ganz verzichtet werden kann“. Das RP nahm sich immerhin sechs Tage Zeit, setzte am Donnerstag aber den Schlusspunkt. „Sämtliche Anträge auf die Fortführung der Erörterung sind abgelehnt“, sagte Bühler.

„Die Genehmigung für den geränderten Grundwasserantrag muss versagt werden“

Die Stuttgart-21-Gegner zogen am Donnerstag die Rechtmäßigkeit der bisherigen Wassergenehmigungen in Zweifel. Fachbehörden wie das städtische Amt für Umweltschutz und das Landesamt für Rohstoffe, Geologie und Bergbau in Freiburg hätten über Jahre im Arbeitskreis Wasserwirtschaft eben jene Rechenmodell zu Grundwasserströmen mit entwickelt, die sie heute beurteilten, sagte Sabine Reichert aus Untertürkheim. Den Behörden fehle daher die nötige kritische Distanz. „Die Genehmigung für den geränderten Grundwasserantrag muss versagt werden“, forderte sie.

Im Erörterungs-Finale verlangten die Anwohner von der Bahn die Veröffentlichung von Messprotokollen über Hangbewegungen. Drei Messstellen gebe es am Killesberg, nur eine am Ameisenberg. Für den Geologen Ralf Laternser zu wenig. „Die Untersuchungen der Bahn entsprechen nicht dem Stand der Technik, hier geht es um grobe Fahrlässigkeit“, sagte er, und forderte, beim Tunnelbau in Stuttgart den gleichen Maßstab wie beim Katzenberg-Tunnel anzulegen.

Beim Katzenberg habe es bei sehr viel weniger Häusern ein umfangreiches, Jahre dauerndes Messprogramm gegeben. „Weil es dort in Bad Bellingen um einen Kriechhang und eine Rutschscholle ging“, sagte Stefan Penn, in der Stuttgart-Ulm GmbH Technischer Geschäftsführer. Hausbesitzer fürchten auch in Stuttgart Rutschungen. Laternser zeigte Bildern mit welligen Gehwegen und einer eingeknickten Mauer. Auch im Ameisenberg gebe es eine geologische Scholle. „Es gibt keine grundlegenden Untersuchungen zur Qualität des Hanges, mein Haus steht direkt über der Kaverne, in der die Tunnelbohrmaschine gewendet werden soll“, zeigte sich Uwe Dreiss vom Netzwerk Kernerviertel besorgt. Fehlende Untersuchungen seien aus seiner Sicht ein „fundamentaler Planungsmangel“.

Harsch kritisiert wurde von Anwohner auch die Tatsache, dass die Beweislast im Schadensfall bei den Eigentümern liegen soll. Unterlagen, mit denen im Fall des Falles die Verantwortung zugewiesen werden könne, lägen bei der Bahn, „das Risiko aber liegt bei uns“, sagte die Anwohnerin Michaela Klapka. Sie bemängelte außerdem, dass „ein halbjähriger Schriftverkehr mit der Bahn“ für eine einzige Informationsveranstaltung zum Thema Haftung und Entschädigung nötig gewesen sei. „Sie haben Recht, wir müssen uns in der Kommunikation verbessern“, räumte S-21 Co-Geschäftsführer Peter Sturm ein.