Die Industrie braucht viel Strom Foto: dpa

Die Industrie in Bayern und Baden-Württemberg könnte mit einer punktuellen Drosselung ihrer Stromnachfrage dazu beitragen, dass die Versorgung in Süddeutschland stabil bleibt.

Stuttgart - Die Industrie in Bayern und Baden-Württemberg könnte mit einer punktuellen Drosselung ihrer Stromnachfrage dazu beitragen, dass die Versorgung in Süddeutschland stabil bleibt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die von den Umweltministern der beiden Länder gemeinsam mit der Berliner Denkfabrik Agora-Energiewende in Auftrag gegeben wurde.

„Mehr als 850 Megawatt Stromverbrauch könnten über einen Zeitraum von zwei Stunden abgeschaltet und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden“, sagte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart. Wenn der Stromengpass nur 30 Minuten dauert, stünden sogar 1,2 Gigawatt zur Verfügung.

In Interviews mit mehr als 200 Unternehmen haben sich laut Agora-Chef Rainer Baake drei große Bereiche herausgeschält, in denen die Stromnachfrage kurzzeitig gedrosselt werden kann: zum einen bei sogenannte Querschnittstechnologien, das sind Anlagen mit Pumpen oder Kompressoren, wie sie branchenübergreifend zu finden sind. Auch der Industrieprozess selbst bietet Potenzial: „Bei der Chemieindustrie ist die Chlorherstellung für ein Lastmanagement sehr geeignet“, heißt es in der Studie.

Auch Wärmepumpen lassen sich drosseln

Aber auch Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen lassen sich nach Ansicht der Gutachter – das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft – kurzfristig so drosseln, dass Phasen mit besonders hoher Stromnachfrage besser bewältigt werden können.

Besonders Lüftungsanlagen und Kältemaschinen bieten sich für diese Verlagerung an, Druckluftanlagen hingegen weniger: „Wird Druckluft für Produktionsprozesse benötigt, hat eine Abschaltung häufig Produktionsausfälle zur Folge“, heißt es. Die Gutachter haben die Daten hochgerechnet und so das gesamte Potenzial ermittelt. „Die Studie zeigt, dass die geschickte Steuerung der Lasten einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten kann“, sagte Bayerns Umweltminister Marcel Huber (CSU). Dies sei neben der Preisstabilität und dem Landschaftsschutz eine der Hauptbedingungen für das Gelingen der Energiewende.

Die beiden Politiker legen Wert darauf, dass es nicht um Zwangsabschaltungen, sondern um freiwillige Maßnahmen geht, die den Unternehmen darüber hinaus finanzielle Vorteile verschaffen sollen. Dafür ist nach Unterstellers Ansicht allerdings der Aufbau eines sogenannten Kapazitätsmarkts als Ergänzung zum bestehenden Energiemarkt nötig.

Mit diesem Instrument, für das Untersteller seit Jahren wirbt, sollen Energieversorger dazu gebracht werden, flexible Gaskraftwerke aufzubauen, damit Stromengpässe kurzfristig ausgeglichen werden können. Neben dem Bau von Kraftwerken gehöre aber auch die Speicherung von Strom und die Steuerung von Lasten dazu, so der Grünen-Politiker. Untersteller: „Ich habe den Eindruck, dass diese Idee immer mehr Freunde findet.“

„Das geht nicht von heute auf morgen“

CSU-Mann Huber dämpfte hingegen etwas die Erwartungen: „Das geht nicht von heute auf morgen, wir werden Übergangsfristen brauchen.“ Das Interesse der Industrie an dem Thema Lastverschiebung sei jedoch groß, zumal dies der Versorgungssicherheit diene.

Sowohl Huber als auch Untersteller kündigten an, den Mechanismus demnächst in regionalen Pilotprojekten zu testen. Die Studie empfiehlt dabei, die finanziellen Anreize „ausreichend“ zu bemessen, um Anfangsinvestitionen für die notwendige Steuerungstechnik abzudecken: „Typischerweise erwarten die Unternehmen Kosten von einigen Tausend Euro.“