Stromtrasse vor Windrad – Bayern will keine neuen Leitungen Foto: dpa

Der Streit um neue Stromtrassen wird nur deswegen so hart geführt, weil Bayern seine Felle in Sachen Energiewende davonschwimmen sieht, meint Wirtschaftsredakteur Walther Rosenberger

Bayern hat es sich in dieser Woche mit seinen westlichen und nördlichen Nachbarn ziemlich verscherzt – insbesondere mit Hessen und Baden-Württemberg. Grund ist der Vorstoß der bayrischen Staatsregierung, ein zentrales Projekt der Energiewende – die sogenannte Südlink-Leitung – nach Westen zu verlegen. Die hochumstrittene, rund 700 Kilometer lange Stromtrasse, die Süddeutschland mit Windstrom aus dem Norden versorgen soll, würde damit fast nicht mehr durch bayrisches Gebiet verlaufen. Dafür Hunderte Kilometer länger durch Hessen und Baden-Württemberg. Bayern, das in Sachen Energiewende noch nie durch selbstloses Verhalten aufgefallen ist, hätte dann ein Problem weniger, die anderen Bundesländer eines mehr.

Gemessen an den Reaktionen, hat der Vorstoß zur Trassenverlegung voll ins Schwarze getroffen. Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) sagte, er habe es satt, dass Bayern die Energiewende sabotiere. Ähnlich äußerte sich Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Von wütenden Reaktionen der Wirtschaftsverbände („unverantwortlich“, „Machtspielchen“) und der kompletten Energiewirtschaft ganz zu schweigen. Sogar der Bundesverband der Bürgerinitiativen bezeichnete den Vorschlag mit erheiterndem Wortwitz als „vollkommen neben der Spur“.

Zwar ist es nichts Neues, dass der Freistaat im Konzert der Bundesländer die Bayern-Karte mit beeindruckender Rücksichtslosigkeit spielt (Maut! Betreuungsgeld!). In Sachen Energiewende resultiert der Egoismus aber aus einer Position der Schwäche. Die Vorzeichen der Energiewende ändern sich nämlich gerade gewaltig. Aus ehemaligen Verlierern werden Gewinner, aus Gewinnern Verlierer. Bayern ist so ein Verlierer.

Mit Pragmatismus und Bauernschläue ist es dem Land in den vergangenen 15 Jahren gelungen, die Renditen des nationalen Projekts Energiewende fürs eigene Bundesland zu maximieren. Nirgendwo profitierte man in ähnlicher Weise vom Ökoenergie-Boom. Angeheizt von Energieautarkie-Fantasien des Landesvaters Horst Seehofer (CSU), installierte man so über mehr als ein Jahrzehnt eine Art umgekehrten Länderfinanzausgleich. Speziell der sprunghafte Ausbau von Biogas- und Fotovoltaikanlagen lenkte jedes Jahr hohe dreistellige Millionen-, teils auch Milliardenbeträge in den Freistaat.

Diese Zeit ist vorbei. 2014 ist Bayern erstmals zum Netto-Zahler der Energiewende geworden. Das heißt, seine Bürger kassierten weniger Einspeisevergütungen auf ihren selbst erzeugten Öko-Strom, als sie über die EEG-Umlage im Strompreis in einen allgemeinen Topf einbezahlten. Die bayrische Energiewendebilanz war mit minus 115 Millionen Euro tiefrot.

Die Entwicklung ist Spiegel veränderter Förderbedingungen für Öko-Energien, die weniger auf Solarmodule und Biogasanlagen und mehr auf Windkraft setzen. Für Bayern ist das fatal – zumal die CSU-Landesregierung mit neuen Abstandsregeln für Rotoren deren Neubau nahezu unmöglich gemacht hat. Das heißt: Beim zukünftigen Poker um Öko-Milliarden steht Bayern zusehends im Abseits. Länder wie Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg fördern den Windkraftausbau dagegen und holen zusehends auf.      Nur wer diesen sich abzeichnenden Bedeutungsverlust Bayerns im Blick hat, kann verstehen, wieso seine Landesregierung beim Thema Stromtrassen so agiert, wie sie agiert – egoistisch und verantwortungslos. Immerhin setzt man mit dem Vorschlag die sichere Energieversorgung Deutschlands aufs Spiel. Aber das scheint dann auch schon egal zu sein. Mia san mia eben – in Reinform.

w.rosenberger@stn.zgs.de