Die Solarmodule auf dem Dach des Stuttgarter Großmarktes sind fertig montiert. Im Februar soll die Anlage Strom ins Netz liefern. Foto: Stadtwerke Stuttgart

Fast zehn Jahre nach dem Verkauf ihrer Stadtwerks-Anteile an die Energie Baden-Württemberg (EnBW) steigt die Landeshauptstadt wieder in den Strom- und Gasmarkt ein. Der neue Betrieb soll mit seinem Ökostrom-Angebot vor allem der EnBW Kunden abjagen.

Stuttgart - „Der Wechsel tut nicht weh. Es gibt kein Übergangsproblem“, warb Stuttgarts Grünen-OB Fritz Kuhn am Dienstag im neuen Kundenzentrum der Stadtwerke Stuttgart (SWS) ganz unverblümt um Kunden. Den Stadtwerke-Tarif „werden sich alle leisten können, nicht erst ab dem Studienrat aufwärts“, so Kuhn.

Bereits 2011 waren die Stadtwerke gegründet worden, bei der Suche eines Vertriebspartners entschied sich die städtische Tochter für die Elektrizitätswerke Schönau (EWS, 40 Prozent an der Vertriebsgesellschaft, Schönau übernimmt die Abrechnung). Die neue GmbH konzipierte über Monate Tarife. Am Dienstag wurden die Zahlen für Ökostrom und Gas vorgestellt. Dabei fällt auf, das sie gegenüber dem Öko-Angebot des Stuttgarter Grundversorgers EnBW jeweils ein paar Zehntel-Cent günstiger abschneiden. Bei Biogas (Erdgas mit zehn Prozent Biogas-Beimischung hat beim Arbeitspreis allerdings die EnBW die Nase vorn. In Online-Vergleichsportalen lassen sich allerdings auch für den Lieferort Stuttgart noch günstigere Anbieter finden.

Ziel der Stadtwerke sei nicht, den Billigheimer zu geben, sagen die Geschäftsführer sowie OB Kuhn und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU), der den Aufsichtsrat führt. „Sie erkennen an der Tarifstruktur, dass die Gesellschaft kein Interesse daran hat, dass ihre Kunden möglichst viel verbrauchen“, so Föll. Das Ziel für Stuttgart müsse neben dem Aufbau von neuen Ökostrom-Anlagen die Einsparung sein, so Kuhn: „Wir müssen bei der Einsparung groß werden.“ Dazu sollen die Kunden 2013 einen besonderen Anreiz erhalten: Wer einen Vertrag abschließt und in diesem Jahr nachweislich seinen alten Kühl- oder Gefrierschrank gegen ein Gerät der Effizienzklasse A mit drei Sternen eintauscht, erhält 50 Euro. In den Folgejahren sollen weitere Anreize zur Energieeinsparung gegeben werden.

30.000 Kunden in der Kartei bis zum Jahresende

Die Elektrizitätswerke Schönau, sagte der als „Stromrebell“ bekannt gewordene Michael Sladek, der bei der Vertriebsgesellschaft neben Martin Rau als Geschäftsführer agiert, bürgten für die Qualität des Angebots. Der Öko-Strom stamme aus Wasserkraftwerken in Norwegen, die jünger als sechs Jahre seien. Diese Altersgrenze werde jährlich gehalten, „um einen Impuls für Neuanlagen zu geben“. Das Biogas stamme aus einer Vergärungsanlage im Schongau, die mit gewerblichen Abfällen und nicht mit extra angebauten Pflanzen betrieben werde.

Bis zum Jahresende wollen die Stadtwerke bereits 30.000 Kunden in der Kartei haben. Die ersten 10.000 sind Kunden der Elektrizitätswerke Schönau in Stuttgart, die Sladek bei nahezu gleichen Bedingungen zum Wechsel bewegen will. Ganz einfach werde das nicht, so Sladek am Rande der Pressekonferenz, ihm hätten einige Kunden ihre Vorbehalte gegen das städtische Tochterunternehmen mitgeteilt. Einziger Unterschied zwischen dem EWS- und dem Stuttgarter Tarif ist der Anteil, der pro Kilowattstunde in die Förderung von Neuanlagen fließt. Bei den EWS sind es 0,5 Cent je Kilowattstunde, in Stuttgart 0,3 Cent. Wegen der hier höheren Abgaben habe der halbe Cent nicht gehalten werden können, so Sladek.

Bis 2020 wollen die Stadtwerke 800 Millionen Euro in neue Anlagen investieren. Bis zu 600 Millionen Euro hat die Stadt dazu in ihrer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft geparkt. Die Rendite daraus deckt bisher das Defizit der Stuttgarter Straßenbahnen. Der Ausgleich soll künftig aus den Stadtwerken kommen, die bis in drei Jahren schwarze Zahlen liefern müssten, sagt Föll.

„EnBW: Wir sehen den Wettbewerb sportlich und gelassen“

Bereits im Februar werde die zweite eigene Fotovoltaik-Anlage, die auf dem Dach des Stuttgarter Großmarktes steht, ans Netz gehen, sagte Stadtwerke-Geschäftsführer Michael Maxelon. Sie könne 300 Haushalte versorgen. Mit einer „zügigen Projektentwicklung“ wolle man bis Ende 2014 drei Windräder in Stuttgart ans Netz bringen. Um die Haushaltskunden in Stuttgart komplett mit Ökostrom zu versorgen, müssten laut Maxelon umgerechnet bis zu 180 Windkraftanlagen aufgebaut werden.

Insgesamt gibt es in Stuttgart laut Sladek rund 340.000 Abnahmestellen (Stromzähler). Die EnBW habe an die 60 Prozent Marktanteil. Bei der EnBW wurde der Konkurrent zurückhaltend kommentiert. „Wir sehen den Wettbewerb sportlich und gelassen. Wir bieten Ökostrom aus regionaler Erzeugung an“, sagte Sprecher Hans-Jörg Groscurth. Man konkurriere seit Jahren in Stuttgart gegen mehr als 100 Anbieter.