Baden-Württemberg ist das größte Streuobstgebiet Mitteleuropas Foto: dpa

Mit 9,3 Millionen Bäumen auf 116 000 Hektar ist Baden-Württemberg das größte Streuobstgebiet Mitteleuropas. Allerdings sind die Bestände in Gefahr: Viele Bäume sind morsch.

Stuttgart - Streuobstwiesen sind eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch: Im Frühjahr bilden die Obstbäume – etwa die Kirschen bei Neidlingen im Voralbland – ein Blütenmeer. Zu Recht wird es mit dem berühmten japanischen Kirschblütenfest verglichen und „schwäbisches Hanami“ genannt. Jetzt im Herbst erleben die Streuobstwiesen ihre zweite Hoch-Zeit im Jahr: Die Zweige biegen sich von der Last saftiger Äpfel, Zwetschgen und Birnen. Doch das „Schwäbische Streuobstparadies“, so der touristische Markenname, ist in Gefahr.

Weil die Pflege der Hochstämme aufwendig ist und die Erträge für das oft nicht makellose Obst gering, werden viele Bäume vernachlässigt, morsch und sterben ab. Sie sind dann zwar noch Lebensraum für viele Tierarten wie Steinkauz, Grünspecht, Wendehals und Halsbandschnäpper. Die Kulturlandschaft aber schrumpft. Vor 50 Jahren war die Streuobstfläche in Baden-Württemberg noch fast fünfmal so groß wie heute. Das Land hat jetzt ein Schutzkonzept entwickelt und fördert die Pflege der Bäume und die Vermarktung der Produkte. Denn immer mehr Menschen entdecken die Streuobstwiesen auch als Naherholungsraum.

Ertragsobstbau

Das größte deutsche Anbaugebiet für Kernobst ist am Nordufer des Bodensees. Dort bewirtschaften rund 1600 Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb rund 7400 Hektar Obstbaufläche. Jährlich werden rund 200 000 Tonnen Kernobst für den Handel produziert. Damit wachsen am Bodensee etwa 20 Prozent der in Deutschland erzeugten Menge und zwei Prozent der EU. Im Ertragsobstbau stehen auf einem Hektar bis zu 3000 Bäume. Sie werden klein gehalten, die Krone beginnt bei 80 Zentimetern. Sie stehen in regelmäßigen Reihen und müssen alle 10 bis 15 Jahre nachgepflanzt werden. Diese Monokulturen bieten Lebensraum für nur wenige Tiere und Pflanzen. Das Obst ist aber meist makellos.

Verwendung

Knapp 50 Prozent der Streuobsternte landen in Privathaushalten, etwa für Obstkuchen. 20 Prozent werden in Keltereien zu Saft oder Most verarbeitet, zehn Prozent werden als Tafelobst verkauft, und aus je fünf Prozent werden Obstbrände sowie Mus, Marmelade und Dörrobst hergestellt.

Streuobstanbau

Fast jeder zweite Streuobstbaum Deutschlands steht in Baden-Württemberg. Größte zusammenhängende Fläche ist das Vorland der Schwäbischen Alb mit 30 000 Hektar. Knapp die Hälfte der Hochstämme sind Apfelbäume, ein Viertel Kirschbäume. Darauf folgen Zwetschge und Birne. Auf Streuobstwiesen stehen maximal 150 Bäume pro Hektar, die Krone der Hochstämme darf erst bei 1,80 Metern beginnen. Die Pflege kommt ohne Pestizide und mineralische Dünger aus. Die Kulturen aus meist alten Sorten sind vielfältig und bieten bis zu 5000 Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Streuobstwiesen sind auch ein wichtiger Erholungsraum für den Menschen.