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Seit Monaten tobt beim Autobauer Daimler Streit um Werkverträge. Nun greift der Konzern durch – und wandelt Verträge in Leiharbeit um.

Seit Monaten tobt beim Autobauer Daimler Streit um Werkverträge. Nun greift der Konzern durch – und wandelt Verträge in Leiharbeit um.

Stuttgart - In keinem Jahr haben Werkverträge Daimler so intensiv beschäftigt wie 2013. Angefangen hat die Debatte im Mai – ausgelöst durch einen Beitrag der ARD, der die Arbeitsbedingungen bei dem Premiumhersteller an den Pranger gestellt hat. Dafür hatte ein SWR-Reporter wochenlang Seite an Seite mit Stammbeschäftigten im Stuttgarter Motorenwerk gearbeitet, aber nur ein Bruchteil von ihnen verdient. Möglich macht dies die Fremdvergabe von Arbeit per Werkvertrag – bis dato auch bei Daimler ein gängiges Mittel, um Kosten zu senken.

Nach Ausstrahlung der Sendung sah sich der Autobauer zu einer dreiseitigen Stellungnahme veranlasst, in der der ARD teils vehement widersprochen wurde. Hinter den Kulissen jedoch war man bei Daimler aufgeschreckt, Werkverträgen wird seither hohe Aufmerksamkeit zuteil. Ende September kündigte Personalchef Wilfried Porth höchstpersönlich an, gegen Missbrauch im Rahmen von Werkverträgen vorzugehen. „Im Einzelfall läuft manches in der täglichen Praxis nicht so, wie es vertraglich vereinbart war“, sagte er. Zuvor hatte Daimler unter anderem einen Prozess vor dem Landesarbeitsgericht verloren, bei dem zwei frühere IT-Kräfte angeführt hatten rechtswidrig jahrelang per Werkvertrag bei Daimler im Einsatz gewesen zu sein. Das Gericht gab ihnen angesichts der engen Zusammenarbeit mit Daimler-Mitarbeitern recht, dagegen hat der Autobauer Berufung eingelegt.

Umwandlungen in Stuttgarter Zentrale erwartet

Im Einzelfall mag der Streit andauern, insgesamt beugt sich Daimler aber offenbar dem öffentlichen Druck. Nach Informationen des Betriebsrats arbeiten rund 1400 Entwickler und IT-Kräfte, die bisher über Werkverträge in Sindelfingen im Einsatz waren, künftig als Leiharbeiter für Daimler. 600 Verträge seien unterschrieben, die übrigen 800 kurz davor, sagte Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm den Stuttgarter Nachrichten. Und weiter: „Der Druck des Betriebsrats hat nicht unmerklich zur Einschätzung des Unternehmens beigetragen, dass diese Werkverträge auf Dauer nicht haltbar sind.“ Tendenz steigend: In der Stuttgarter Zentrale arbeiten nach früheren Angaben weitere 2100 Menschen im Rahmen von Werkverträgen. Klemm erwartet, dass es auch dort in Kürze Umwandlungen geben wird.

Anders als bei Werkverträgen hat der Betriebsrat bei Leiharbeit Mitspracherecht, zudem gelten für Leiharbeiter Tarifrechte wie der Anspruch auf eine feste Stelle nach 24 Monaten. Von dieser Regelung profitieren in der Sindelfinger Entwicklung bald 100 Leiharbeiter, die übernommen werden. In den nächsten Monaten muss Daimler laut Betriebsrat weiteren 400 Leiharbeitern außerhalb der Produktion feste Jobs anbieten.

Durch die Umwandlung von Arbeitsverträgen und die Einstellung neuer Leiharbeiter steigt die Beschäftigtenzahl in Sindelfingen auf rund 39.000. Aktuell hat der Standort 37.500 Mitarbeiter, darunter 1200 Leiharbeiter in der Produktion und 350 in der Entwicklung. Ein Konzernsprecher wollte die Zahl der Umwandlungen und Einstellungen nicht kommentieren. Er räumte aber ein, dass im Zuge der Überprüfung von Werkverträgen einige „nicht verlängert oder ausgesetzt“ wurden. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Werkvertrags stelle der Konzern lieber fest ein oder setze auf Leiharbeit.