Brauchen Sportschützen großkalibrige Handfeuerwaffen? Foto: dapd

Die Familien der 2009 beim Winnender Amoklauf getöteten Schüler fordern seit Jahren, großkalibriges Sportschießen zu verbieten. Die Verantwortung für das Scheitern sehen sie bei der Waffenlobby.

Stuttgart - Eine Verschärfung des Waffenrechts bleibt für Hinterbliebene der Opfer des Winnender Amoklaufs auch nach der negativen Entscheidung der Innenministerkonferenz auf der Tagesordnung. „Die Politik sollte weiter versuchen, die Hürden für großkalibrige Waffen zu erhöhen“, sagte Barbara Nalepas, deren Tochter zu den Opfern des Massakers gehört, das ein 17-Jähriger vor sechs Jahren mit einer 9-mm-Waffe verübt hat. Solche Pistolen brauche niemand, sie seien nur zum Töten da, doch letztlich habe sich die Lobby der Waffenhersteller und Sportschützen durchgesetzt.

Auch Gisela Mayer, Vorstandschefin der Stiftung gegen Gewalt an Schulen, zeigte sich enttäuscht über die Absage der Innenministerkonferenz (IMK) an einen Vorstoß Baden-Württembergs, eine Verschärfung des Waffenrechts zumindest zu prüfen. Zwar sei 2009 ein erster Schritt gemacht worden mit strengeren Kontrollen für Waffenbesitzer und höheren Strafen. Doch das reiche nicht.

Die IMK hat sich vergangene Woche in Mainz der Auffassung des Bundes angeschlossen, wonach es keinen Sicherheitsgewinn brächte, weitere Waffen vom sportlichen Schießen auszunehmen. „Festzuhalten ist, dass nahezu alle Feuerwaffen über ein letales Potenzial verfügen“, heißt es in einem Bericht des Bundesinnenministers.

So erreiche insbesondere das typische Sportschützenkaliber .22 lr mit einem Geschossdurchmessen von 5,68 mm Energiewerte, die zu tödlichen Verletzungen führen könnten. Das habe sich etwa bei den Amokläufen von Jokela (Finnland, neun Tote), Cumbria (Großbritannien, 13 Tote) oder Lörrach (vier Tote) gezeigt. Der Bericht rät deshalb dazu, die bestehenden Überprüfungsmöglichkeiten zu nutzen.

Im Stuttgarter Innenministerium hält man dies jedoch für unzureichend. So sei nach dem geltenden Waffenrecht keine obligatorische Prüfung zulässig, ob alle Mitglieder von Schützenvereinen mit ihren Sportwaffen tatsächlich noch Schießsport betrieben, heißt es in der Behörde. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der IMK gebe es derzeit aber keine politische Chance für eine Verschärfung.

Mit ihrem Versuch, den Zugang zu großkalibrigen Waffen zu erschweren, sind Hinterbliebene des Winnender Amoklaufs allerdings auch juristisch gescheitert. So hat am 21. Mai der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Straßburg) eine Beschwerde für unzulässig erklärt, die ein Verbot tödlicher Sportwaffen zum Ziel hatte. Auf die Gründe ging das Gericht nicht näher ein.

Barbara Nalepas empfindet die Antwort als herzlos: „Das Gericht hat sich nicht einmal die Mühe gemacht genauer hinzuschauen, ob hier das Menschenrecht auf Leben verletzt ist.“ Das empfinde sie als Erniedrigung. Bereits 2013 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Klage von Hinterbliebenen abgelehnt. Sie hatten argumentiert, dass selbst das verschärfte Waffengesetz keinen ausreichenden Schutz biete. Die Kläger forderten deshalb, dass der private Besitz tödlicher Sportwaffen generell verboten wird.

Die Karlsruher Richter hielten dem jedoch entgegen, dass sie erst dann tätig werden könnten, wenn der Gesetzgeber gänzlich ungeeignete oder gar keine Schutzvorkehrung gegen die von Waffen ausgehenden Gefahren trifft. Das sei aber mit Blick auf die Gesetzesverschärfung vom Jahr 2009 nicht der Fall.

Nach Angaben der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“ wurden in Deutschland seit dem Winnender Amoklauf vor sechs Jahren mindestens 58 Menschen mit Waffen von Sportschützen erschossen. Beim Massaker von Winnenden hatte ein 17-Jähriger mit einer Pistole des Kalibers 9 mm 15 Menschen und anschließend sich selbst erschossen.