Ein Mitarbeiter im Motorenwerk von Daimler in Untertürkheim. Foto: Martin Stollberg

Die Ansiedlung einer Batteriemontage im Daimler-Motorenwerk in Untertürkheim nimmt Formen an. Nach Informationen unserer Zeitung plant Daimler, dafür eine eigene Gesellschaft zu gründen, die nicht tarifgebunden ist. Das birgt aus Sicht der Mitarbeiter Zündstoff.

Stuttgart - Die Verhandlungen, wie weit das Motorenwerk in Untertürkheim an der Elektrostrategie von Daimler beteiligt wird, spitzen sich zu. Die Nerven sind angespannt, weil es an diesem Standort um viel geht: Sollten in einigen Jahren nur noch wenige Autos mit Diesel- oder Benzinmotor verkauft werden, stellt sich die Frage, was die 19 000 Männer und Frauen an dem Standort dann arbeiten. Deshalb fordern die Arbeitnehmervertreter, dass in Untertürkheim künftig auch Batterien für E-Autos montiert werden. Doch die Zugeständnisse, die der Konzern dafür fordert, bergen aus Sicht der Arbeitnehmervertreter Zündstoff.

In einem Schreiben der Werkleitung an die Beschäftigten, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es, eine mögliche Lösung sei, die Batteriemontage in Form einer GmbH am Standort aufzubauen. Das Problem: Die Gesellschaft soll nach Auskunft der Arbeitnehmervertreter nicht unter den Tarif fallen. „Wir hätten dann einen nicht tarifgebundenen Betrieb mitten auf unserem Werksgelände“, sagt Wolfgang Nieke, Betriebsratschef in Untertürkheim, unserer Zeitung. „Das würde für die Kollegen erhebliche Gehaltseinbußen bedeuten.“ In einem ersten Schritt sollen bis zu 100 Mitarbeiter in der neuen Gesellschaft beschäftigt sein. Ob diese Mitarbeiter neu eingestellt werden oder aus einem anderen Bereich dorthin wechseln, sei einer von vielen Punkten, die unklar seien, so Nieke. „Aber machen wir uns nichts vor: Hier werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass tarifgebundene Mitarbeiter in die tariffreie Zone wechseln, wenn die Stückzahlen im Zuge der Elektro-Offensive nach oben gehen.“

Die Standorte Sindelfingen, Rastatt und Bremen haben schon Zusagen

Mit der Einstellung von neuem Personal ist Daimler am Standort Untertürkheim äußerst vorsichtig: „Es herrscht die Philosophie, derzeit kein Personal aufzubauen, damit wir an dieser Stelle nicht irgendwann Probleme bekommen“, so der Betriebsratschef. Auch die Zahl der Auszubildenden soll nicht gleich bleiben. „Wir haben dieses Jahr 190 Auszubildende eingestellt“, sagt Nieke. „Nach 2020 soll diese Zahl nach Ansicht des Unternehmens deutlich reduziert werden.“

In Untertürkheim sind mehr als 19 000 Männer und Frauen beschäftigt. Die meisten von ihnen arbeiten an der klassischen Verbrennungstechnologie. Während die Standorte Sindelfingen, Rastatt und Bremen bereits die Zusage bekommen haben, künftig auch E-Autos bauen zu dürfen, tut sich der Konzern bei Untertürkheim schwer. Weil die Arbeitnehmer fürchten, dass den Mitarbeitern in den Motorenwerken künftig die Arbeit ausgehen könnte, ist es ihnen wichtig, dass das Werk künftig am elektrifizierten Antriebsstrang mitarbeiten darf. Aber nicht um jeden Preis. „Mit den jetzt auf dem Tisch liegenden Forderungen ist eine Vereinbarung mit uns allerdings nicht zu machen“, sagt Nieke.

Jeder Mitarbeiter soll einen Beitrag leisten

Das Unternehmen fordert, dass jeder Mitarbeiter einen Beitrag leistet, wenn Untertürkheim die Batteriemontage bekommt. So soll jeder Beschäftigte dem Unternehmen drei sogenannte Qualifizierungstage spenden – unabhängig davon, ob der Beschäftigte in den drei Tagen wirklich eine Weiterbildung macht oder nicht. „Wir haben eine tarifvertragliche Regelung, die sagt, dass Qualifizierungszeit Arbeitszeit ist“, sagt Nieke.

Enttäuscht ist Nieke auch, dass Daimler derzeit offenbar nicht mehr darüber reden will, jenseits der Batteriemontage weitere Komponenten des elektrifizierten Antriebsstrangs nach Untertürkheim zu holen. Bereits im Februar hatten Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart, dass der Standort die Einheit des E-Antriebs für die Vorderachse künftig selbst baut. Noch viel wichtiger ist jedoch die Einheit für die Hinterachse. Es wurde in Aussicht gestellt, dass das Werk in Untertürkheim auch den Zuschlag für diese Komponenten bekommt. „Aber davon will das Unternehmen jetzt nichts mehr wissen.“

Untertürkheim sei das Leitwerk für den konventionellen Antriebsstrang, sagte ein Daimler-Sprecher. „Unser klares Ziel ist, diese Rolle auch für die Elektromobilität einzunehmen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts damit zu stärken“, so der Sprecher. „Das Werk Untertürkheim hat die Chance, in die Montage von Batterien einzusteigen. Klar ist aber auch: Unser Standort konkurriert hier mit weltweiten Herstellern. Der Wandel hin zur Elektromobilität gelingt nur, wenn wir wirtschaftliche Bedingungen für unseren Standort schaffen und unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter optimieren.“