US-Präsident Donald Trump kritisiert das Atomabkommen mit dem Iran scharf, aber er kündigt es noch nicht auf. Foto: AP

Der Streit über den Atomvertrag, den US-Präsident Donald Trump angezettelt hat, könnte sich am Ende zum Nachteil der Vereinigten Staaten auswirken, analysiert Nahost-Korrespondent Martin Gehlen.

Tunis - Monatelang ließ Donald Trump seinem Missmut gegen den Iran freien Lauf, wetterte gegen den angeblich schlechtesten und einseitigsten Vertrag, dem die Vereinigten Staaten jemals beigetreten seien. Am Freitag folgten den Worten nun erstmals Taten. Der US-Präsident verweigerte dem Atompakt mit Teheran die neuerliche Zertifizierung und drohte mit der Annullierung des Vertrages. Auch wenn das spektakuläre Manöver bislang nur eine inneramerikanische Prozedur ist, werden die Auswirkungen auf die Unruheregionen des Nahen und Mittleren Ostens bald zu spüren sein. Denn Trump macht ausgerechnet Front gegen einen jener seltenen Triumphe der Nahost-Diplomatie, durch den ein Konflikt ohne Blutvergießen befriedet werden konnte.

Mit seinem Nein legt Trump das umstrittene Dossier dem Kongress vor die Tür, der nun über eine Rückkehr zu den Sanktionen und damit über das Aus des Atomvertrags entscheiden muss. Doch egal, wie weit die Senatoren in Washington am Ende Trumps Wünschen folgen, der politische Schaden ist schon da, das Vertrauen beschädigt und das Klima vergiftet.

Epochale Fehlentscheidung der USA

Dabei bescheinigen die internationalen Nuklearwächter dem Iran bisher ohne Einschränkungen, dass sich das Land exakt an die Vereinbarungen hält. Das bestreitet auch Trump nicht. Der US-Präsident stößt sich vor allem an der wachsenden Hegemonie Teherans in der Region. Diese jedoch ist kein Ergebnis des Atomprogramms. Sie ist Ergebnis des systematischen Versagens der arabischen Welt, die dem Iran bei Wissenschaft, Bildung und Kultur nicht das Wasser reichen kann. Und sie ist Ergebnis der epochalen Fehlentscheidung der USA, 2003 in den Irak einzumarschieren. Damals noch suchte die aufgeschreckte Islamische Republik einen umfassenden Interessensausgleich mit den Vereinigten Staaten. Doch Präsident George W. Bush wischte das Ansinnen brüsk vom Tisch.

Der Iran ist für Investoren interessant

Heute braucht der Iran solche Avancen nicht mehr. Überall in der Region sind seine Fußabdrücke zu sehen. Die USA dagegen haben der persischen Machtpräsenz in Irak, Syrien, Jemen und Libanon kaum noch etwas entgegenzusetzen. Bei der schiitischen Führung in Bagdad findet Washington kaum noch Gehör. Im Jemen richtet Saudi-Arabien mit amerikanischer Unterstützung eine beispiellose humanitäre Katastrophe an. Auf dem syrischen Schlachtfeld sind die USA nur indirekt mit kurdisch-arabischen Hilfstruppen präsent.

Am Ende der Trump-Kraftprobe könnte auch diesmal wieder der Iran als Sieger dastehen. Mit dem Atomvertrag gelang es ihm, das Ölembargo zu beenden. Die Einnahmen sprudeln seitdem. Teheran kann seine Industrie auf Vordermann bringen und die Infrastruktur modernisieren. Von diesem Auftragskuchen wollen alle großen Wirtschaftsnationen ihren Teil abbekommen. Russland, China und Europa denken nicht daran, diese Geschäfte einem reanimierten Embargo zu opfern. So werden sich die USA, sollten sie zum Jahresende tatsächlich aus dem Atomvertrag aussteigen, in erster Linie selber schaden.