Die recht volle Tagesordnung musste komplett gestrichen und auf die nächste Sitzung im neuen Jahr verschoben werden. Foto: Rüdiger Ott

Die Sitzung des Bezirksbeirats musste abgebrochen werden, noch bevor die Tagesordnung eröffnet wurde. Der Grund war ein Zwist zwischen ökosozialem und bürgerlichem Lager. Es ging es um Formalien der Geschäftsordnung, doch eigentlich steckt viel mehr dahinter.

Degerloch - Von Besinnlichkeit war in der Advents-Sitzung des Bezirksbeirats nur wenig zu spüren. Emotional ging es in der letzten Sitzung des Jahres zwar wahrlich zu, doch die Gefühle waren nicht gerade positiv. Es entbrannte ein derartiger Zwist zwischen den ökosozialen und den bürgerlichen Parteien, dass die Sitzung schließlich abgebrochen wurde, noch bevor es an die Tagesordnung ging.

Grund für die Auseinandersetzung war eine förmliche Rüge von Grünen und SPD zu Beginn der Sitzung. Darin kritisieren sie unter anderem, dass Bezirkschefin Brigitte Kunath-Scheffold oft zu spät zu den Sitzungen einlade und gegen die Geschäftsordnung (siehe Infobox) verstoße. „Wir müssen uns vorbereiten können“, erklärt der stellvertretende SPD-Bezirksbeirat Wilfried Seuberth. Das seien „formale und mehr als peinliche Fehler“, heißt es in der Rüge.

CDU spricht von vergiftetem Klima

Aufgrund der zu späten Einladung zur Sitzung sei das Gremium nicht beschlussfähig, ließen SPD-Sprecher Ulrich-Michael Weiss und Grünen-Beirat Ronald Stock schließlich die Bombe platzen. Den Vertretern der bürgerlichen Parteien riss da der Geduldsfaden: Der CDU-Sprecher Götz Bräuer beschuldigte Stock und Weiss – beide recht neu im Gremium – dass sie die seit Jahren gepflegte Kommunikationsform stören würden. „Die Art und Weise, wie Sie das Klima hier vergiften, ist nicht schön“, sagte er und kündigte an: „Sie können sich auf eisige Winter einstellen.“

Wie schon am Dienstagmorgen der gemeinderätliche Umwelt- und Technikausschuss (UTA) hätte auch der Bezirksbeirat in der Sitzung über die lange erwarteten Planungen für den Bau einer Sporthalle auf der Waldau (siehe Meldung rechts) informiert werden und sein Votum abgeben sollen. Von der Stadt waren dafür extra drei Mitarbeiter ins Bezirksrathaus gekommen. Sie appellierten an die Bezirksbeiräte, dass wenigstens dieser Punkt verhandelt werden sollte, damit der Gemeinderat eine Stellungnahme bekommt. Um in diese Richtung einzulenken, schlugen SPD und Grüne vor, mit einem Eilantrag die Beschlussfähigkeit für das eine Thema nun doch wieder herzustellen. Dass das möglich ist, habe man bei der Prüfung der Geschäftsordnung für die Rüge herausgefunden.

Unstimmigkeiten haben sich hochgeschaukelt

Zu diesem Zeitpunkt war das Chaos schon perfekt. Thilo Roßberg (FDP) und Ulrich Demeter (Freie Wähler) zogen sich bereits an, um zu gehen. Götz Bräuer von der CDU schimpfte über die „formelle Korinthenkackerei“. „Solch ein Gebaren, die Geschäftsordnung so auszureizen, kenne ich nur aus Studentenparlamenten“, zog CDU-Mann Robert Kuncewicz einen Vergleich. Schließlich wurde der Eilantrag der Grünen und der SPD mit fünf zu fünf Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt und die Sitzung ergebnislos beendet.

Der Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle findet es nicht gut, „wenn die Stimmung im Bezirksbeirat schlecht ist“, wie er sagt. Er könne sich nicht daran erinnern, dass je eine Sitzung so abgebrochen worden ist. Es sei klar, dass Formalien eingehalten werden müssen. Doch er habe auch mitbekommen, dass es zwischen den Fraktionen bereits Unstimmigkeiten gegeben hatte, die sich nun „wohl hochgeschaukelt haben“. Tatsächlich war der Unmut schon in der vergangenen Sitzung spürbar.

Im Nachklapp zur Sitzung haben bereits beide Lager eine Pressemitteilung verfasst. CDU, FDP, Freie Wähler, AfD und das sachkundige ausländische Mitglied schreiben darin unter anderem, dass sie wie die Mehrheit des Gemeinderats in Sachen Sporthalle auf der Waldau für eine Variante mit Tiefgarage gestimmt hätten. Die Mitglieder von SPD und Grünen sagen auf Nachfrage, sie hätten ebenfalls diese Lösung favorisiert. Zumindest darin sind sich die Bezirksbeiräte einig.

Regeln und Infos zur Sporthalle

Geschäftsordnung
: Formalien und Abläufe für die Sitzungen des lokalpolitischen Gremiums sind in der Geschäftsordnung für Bezirksbeiräte (GOB) geregelt.

Paragrafen
: Grüne und SPD berufen sich auf den § 8, Abschnitt 3 der GOB. Dieser besagt, dass zu den Sitzungen unter Angabe der Tagesordnung eine Woche vor der Sitzung schriftlich eingeladen werden muss. Ist das nicht der Fall, ist das Gremium laut § 37 der Gemeindeordnung nicht beschlussfähig.

Sporthalle auf der Waldau: In Sachen Sporthalle auf der Waldau geht es voran. Am vergangenen Dienstag hat die Stadt dem gemeinderätlichen Ausschuss für Umwelt und Technik (UTA) ihre Planungen vorgelegt. Es gibt zwei Varianten. In beiden ist auf dem heutigen Tennenplatz der TSG Stuttgart eine dreiteilbare Sporthalle mit Nebenräumen geplant. Geht es nach den Ergebnissen der Planungswerkstatt Waldau, gäbe es unter anderem zusätzlich eine Tiefgarage und eine als Action-Platz gestaltete Außenanlage. Diese Variante würde rund 9,2 Millionen Euro kosten. Die Stadtverwaltung empfiehlt eine billigere Variante für etwa 7,1 Millionen Euro. Bei dieser würde es statt der Tiefgarage 23 oberirdische Stellplätze geben. Die Gemeinderäte im UTA haben sich entgegen der Empfehlung der Stadtverwaltung fast einstimmig für die umfangreichere Variante mit Tiefgarage ausgesprochen, lediglich die SÖS/Linke/Plus war nicht für die Tiefgarage.

Kommentar zum Streit im Bezirksbeirat

Zum Wohle von Degerloch muss der Bezirksbeirat zusammenhalten. Das ist ihm in den vergangenen Jahren immer gut gelungen. Ein Streit wie in der vergangenen Sitzung ist Gift für den Stadtbezirk. Parteipolitisches Geklüngel hat in Bezirksbeiräten nichts zu suchen. Als beratendes Gremium hat es in der Stadtpolitik ohnehin nichts zu entscheiden. Dinge, die für Degerloch und seine Bürger wichtig sind, können Bezirksbeiräte aber sehr wohl in Richtung Stadtverwaltung und Gemeinderat kommunizieren und Entscheidungen damit beeinflussen. Das geht aber nur, wenn das Gremium geschlossen auftritt.

Wenn die Grünen und die SPD formale Fehler nicht weiter dulden wollen, ist das natürlich ihr gutes Recht. Der Zeitpunkt für die Rüge hätte jedoch vielleicht anders gewählt werden können. Klar ist aber wohl auch, dass es nicht allein die Formfehler sind, die die beiden Fraktionen so stören. Ungelöste Themen wie der Streit um die Tarife für die Anmietung der Alten Scheuer oder die Besetzung der Arbeitsgruppe Verkehr schwingen als Beweggründe noch immer mit.

Dass sich die Bezirksbeiräte von CDU, FDP, Freien Wählern und AfD über Zeitpunkt und Inhalt der Rüge ärgern, ist wiederum deren gutes Recht. Dennoch hätten die bürgerlichen Fraktionen am Ende einlenken können. Wenigstens dem Thema Sporthalle und dem Stadtbezirk zuliebe. (baj)