Autos haben im Rotlichtviertel nichts zu suchen. Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Kaum ist der Ärger um die provokante Plakataktion der Stadt gegen Zwangs- und Armutsprostitution verraucht, gibt es neues Ungemach im Rotlichtmilieu. Diesmal geht es um die Poller, die den Autoverkehr im Leonhardsviertel ausbremsen sollen.

Stuttgart - Damit Schaulustige und Freier nicht mit ihren Autos durchs Leonhardsviertel fahren, verhindern Poller an Wilhelmsplatz und Leonhardstraße die Durchfahrt. Ein Bordellbetreiber bemängelt nun per Schreiben an die Stadt, das dieser Zeitung vorliegt, dass sich die Sicherheitslage in dem Bar- und Bordellviertel verschlechtert hat. Der Bordellbetreiber macht das an Vorfällen aus der jüngsten Vergangenheit fest, welche die Polizei auf Nachfrage bestätigt. So gab es am 16. Juli Streitigkeiten mit einer, laut Polizei, „unliebsamen Person“ in der Weberstraße. Am 30. Juli wurde eine Prostituierte von einem Freier nach dem Geschlechtsverkehr bedroht und aufgefordert, den Lohn dafür wieder rauszurücken. Und einen Tag später kam es, nach Angaben der Beamten, zu einer Schlägerei mit „Körperverletzung“.

Dass es immer häufiger zu solchen Auseinandersetzungen kommt, erklärt der Bordellbetreiber mit mangelnder Polizeipräsenz. „Weil die Durchfahrt ins Viertel blockiert ist, kommen die Beamten nur selten. Und wenn etwas passiert, dauert es 20 Minuten, bis sie da sind, weil die Polizisten erst den Poller runterlassen oder laufen müssen“, sagt er und fordert, dass der Poller an der Leonhardstraße wegkommt. Tatsächlich kommt jetzt ein Poller weg – allerdings nicht der an der Leonhardstraße, sondern einer am Wilhelmsplatz.

Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) erklärt: „Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, dass Polizei und Rettungskräfte schnell vor Ort sind.“ Die Entscheidung ist laut Schairer vom Amt für öffentliche Ordnung und der Polizei getroffen worden – auch mit dem Ziel, dass die Polizei häufiger im Viertel unterwegs ist. Der Poller am Wilhelmsplatz, so der Bordellbetreiber, sei aber der falsche. Wegen der besseren Wendemöglichkeiten am Wilhelmsplatz müsse der Poller an der Leonhardstraße weg.

Polizei: Ausschreitungen nehmen zu

Dass die Ausschreitungen im Leonhardsviertel zunehmen, bestätigt zwar Katharina Schwegler vom Arbeitsbereich Prostitution der Polizei. Die Oberkommissarin sieht einen Zusammenhang mit dem Zustrom an Flüchtlingen: „Es kommt häufiger vor, dass Flüchtlinge von den Frauen mehr verlangen als sie bezahlt haben, ihr Geld zurückwollen oder es an Respekt fehlen lassen.“ Hinter vorgehaltener Hand wird im Rotlichtviertel jedoch gemunkelt, dass der Poller nicht aufgrund der Zunahme an Ausschreitungen und notwendiger Polizeieinsätzen wegkommt, sondern weil die Beamten „zu faul“ seien, mit dem Schlüssel den Poller runterzulassen oder statt Streife zu fahren Streife zu gehen. Ebenfalls wird gemunkelt, dass es dem betreffenden Bordellbetreiber nicht um die Sicherheit im Viertel geht. Vielmehr sei sein Ziel, dass seine Kunden unerkannt mit dem Taxi beim Bordell vorfahren können.

Katharina Schwegler spricht bei den Vorwürfen gegen die Polizei von einer „Frechheit“. Der Bordellbetreiber sagt, dass seine Kunden nicht mit dem Taxi kommen – im Gegensatz zu den Kunden im Drei-Farben-Haus: Dort sei für Autos gesperrt. Aber ein Schild gewähre Taxen freie Zufahrt.

Sicherheit im Viertel auch Thema am runden Tisch

Die Sicherheit im Viertel: Das war auch Thema des sogenannten Runden Tischs Leonhardsviertel, an dem Bordellbetreiber, Gastronomen, Mieter, Polizei und Stadtpolitiker nach Lösungen für Probleme im Quartier suchen. „Konsens war, dass die Fußstreifen verstärkt werden müssen. Von den Pollern war keine Rede“, sagt Veronika Kienzle (Grüne). Sie ist Bezirksvorsteherin in Stuttgart-Mitte. An der Entscheidung, einen Poller zu entfernen, kritisiert sie, dass sie nicht mit den Bezirksbeiräten, dem Runden Tisch und dem Unterausschuss Leonhardsviertel abgestimmt worden sei. „Diese Gremien haben sich für die Absperrung entschieden, und der Gemeinderat war einverstanden“, so Kienzle. Jochen Stopper, Grünen-Stadtrat und im Unterausschuss Leonhardsviertel, bestätigt, dass am Runden Tisch mehr Fußstreifen gefordert wurden, weil vor allem junge Männer das Viertel als „rechtsfreien Raum“ betrachten. Den Poller zu entfernen sei nicht im Interesse der Mitglieder des Runden Tischs und des Unterausschusses.

Im Referat von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer räumt man indes ein, dass die Entscheidung vorbei am Runden Tisch „unglücklich“ gelaufen sei. Dennoch sei sie erfreulich, weil am Wilhelmsplatz aus Sicherheitsgründen gar keine Poller hätten installiert werden dürfen, so Gunter Schmidt, Sprecher von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Nach dem sie eine Zeit lang weg waren, wurden die Poller übrigens erst vor Kurzem wieder eingesetzt.