An kaum einem anderen Platz in der Stadt liegen Kultur und Jugendtreff so nah beieinander wie am Mailänder Platz zwischen Milaneo und Bibliothek. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Drei Monate lang haben Streetworker am Mailänder Platz mit Cliquen gesprochen. Nun empfehlen die Projektpartner eine feste Anlaufstelle für Orientierung suchende Jugendliche, die Bibliothek will sich mit Bildungselementen einbringen. Am Montag bespricht der Jugendhilfeausschuss das Konzept.

Stuttgart - Fast unbemerkt war das aufgewühlte Viertel rund um die Bibliothek zu einem Treffpunkt für Jugendliche geworden, und nicht immer lief alles friedlich ab. Die Probleme schwappten auch in die Stadtbibliothek hinein, vor allem, weil dort W-Lan unbegrenzt zur Verfügung stand. Nicht alle Besucher verhielten sich angemessen, sondern störten oder pöbelten, manche widersetzten sich gar der Aufforderung, das Haus zu verlassen.

Statt nur mit Polizeieinsätzen und Hausverboten zu reagieren, einigten sich mehrere Akteure, unter anderem die Stadt Stuttgart, auf den Einsatz von Streetworkern und den Ausbau der kulturellen Bildung in der Bibliothek. Mit dieser Empfehlung wird sich am kommenden Montag der Jugendhilfeausschuss befassen.

Freizeit und Lebensraum für Jugendliche

Auf Initiative von Stadtbibliothek, Polizei, Mobiler Jugendarbeit, Milaneo und Sparkassenakademie waren im vergangenen Jahr über eine Zeit von drei Monaten zwei Mal wöchentlich knapp 50 Streetworker der Mobilen Jugendarbeit dort unterwegs, um mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. 205 Cliquen hatten sie angetroffen, 837 Jugendliche angesprochen, 119 befragt. Der Großteil der Befragten war zwischen 14 und 17 Jahre alt, 82 Prozent hatten einen Migrationshintergrund, 60 Prozent waren männlich, überwiegend aus Stuttgart und überwiegend in einer Clique unterwegs. Im Abschlussbericht der Mobilen Jugendarbeit heißt es, das Quartier sei zu ihrem Freizeit- und Lebensraum geworden, zu ihrem Treffpunkt. Jugendeinrichtungen an ihrem Wohnort stellen deshalb keinen Ersatz dar. Den Streetworkern aber hätten sie „eine hohe Akzeptanz“ entgegen gebracht.

Die Mobile Jugendarbeit und alle anderen Beteiligten aus der Projektsteuerungsgruppe empfehlen entsprechend der Befragungsergebnisse, dort mittelfristig Streetworker fest zu verankern und Jugendliche, auch problembelastete, in Bildungs- und Freizeitangebote zu lenken sowie Konfliktmanagement anzubieten. Langfristig sollte daraus ein multidisziplinäres Team werden. Die Stadt schlägt vor, dieses Projekt für zwei Jahre zu installieren, finanziert aus Stiftungsmitteln und Projektförderung.

Flankierend möchte die Stadtbibliothek die kulturelle Jugendbildung stärken, „weil sich bei den anwesenden Jugendlichen und Cliquen Interesse wie auch ein erheblicher Unterstützungsbedarf bezüglich der Alltagsbewältigung zeigt“, heißt es in der Mitteilungsvorlage. Da der Bibliothek das Personal fehlt für ein solches, verlässliches Angebot, wird das Kulturamt zum Stellenplan 2018 eine „entsprechende“ Aufstockung des Personals beantragen.

Zahl der Hausverbote halbiert

Einen ersten Erfolg gibt es bereits: Das W-Lan ist nicht mehr endlos, sondern nur noch für zwei Stunden zugänglich, außerdem ist das Bibliothekspersonal im Umgang mit schwierigen Jugendlichen und Jugendcliquen geschult worden. Im Jahr 2015 musste Christine Brunner, die Chefin der Stadtbibliothek, noch zehn Hausverbote aussprechen, um rücksichtsloses Verhalten und Verstöße gegen die Hausordnung zu ahnden – 2016 waren es nur noch fünf Hausverbote.