Kahraman Evsen vom Verein Hezex, der Deutsch-Kurden in Stuttgart und der Region dabei helfen soll, sich besser zu integrieren. Foto: Peter Petsch

Das Innenministerium fühlt sich für Streetgangs nicht zuständig. Kurdische Vereine kritisieren, dass Warnungen von Polizei nicht ernst genommen würden.

Stuttgart - Eine neue Dimension der Bandengewalt treibt die Stadt im Moment um. Sogar über eine Waffenverbotszone wird beim Landeskriminalamt nachgedacht. Eine der verfeindeten Gruppen nennt sich selbst „Stuttgarter Kurden“ – und sieht sich als stolze Bruderschaft, die sich nicht an Gesetze halten muss.

Gewaltbereite junge Männer, Mitgliederzahl wachsend. Das Integrationsministerium fühlt sich nicht zuständig, obwohl die Polizei davor warnte, dass „falsch verstandene Werte“ den Gruppen starken Zulauf an jungen Männern bescheren könnten.

Eine kurdische Gruppe in Stuttgart hat sich dagegen besonders bemüht, Integrationsarbeit zu leisten – jedoch mit mäßigem Erfolg. Kahraman Evsen gründete den Verein Hezex, nachdem Mitglieder der Red Legion 2013 ein Mitglied der Straßengang Black Jackets mit mehreren Messerstichen ermordeten.

„Verbot allein ist nicht genug“

Die jetzt in Erscheinung tretenden sogenannten Stuttgarter Kurden gelten als Nachfolgeorganisation der von Innenminister Reinhold Gall (SPD) verbotenen Red Legion. Das hindert ehemalige und neue Mitglieder nicht, unter neuer Flagge zu firmieren.

„Das Verbot allein ist nicht genug“, sagt Evsen. Knapp 100 Mails haben er und seine Mitstreiter an verschiedene Politiker und Behörden geschrieben. Doch entweder erhielten sie erst gar keine Antwort oder keine kaum Unterstützung für ihre Integrationsprojekte.

Das Integrationsministerium bestätigt dies auf eine Anfrage der Stuttgarter Nachrichten. „Gangkriminalität ist Sache des Innenministeriums“, sagt ein Sprecher. Zu den jüngsten Aufmärschen von bis zu zweihundert Mitglieder der sogenannten Stuttgarter Kurden in der Innenstadt und in Wohngebieten will sich der Sprecher des Innenministeriums nicht äußern.

Jugendlichen neigen zur Radikalisierung

Auch Evsen will bei Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) auf taube Ohren gestoßen sein. „Wir haben ein Positionspapier erarbeitet, in dem wir Frau Öney darauf aufmerksam gemacht haben, dass einige unserer Jugendlichen dazu neigen, sich zu radikalisieren“, sagt Evsen.

In dem Papier sind zwei integrative Maßnahmen formuliert: Dass die Kurden als eigenständige Volks- und Migrantengruppe anerkannt werden und Kurdischunterricht an deutschen Schulen in Baden-Württemberg angeboten werden soll. Das Integrationsministerium hat dazu keine Stellung bezogen.

Als es schließlich aus anderem Anlass zu einem Treffen mit Öney kam, sei außer schöner Worte nicht viel gewesen, sagt Evsen. Ein Sprecher des Integrationsministeriums sagt dazu: „Auf Frage des Vereins nach möglicher Zusammenarbeit wurde dem Verein ein vom Integrationsministerium aufgelegte Förderprogramm und eine Antragstellung im Rahmen dieses Programms empfohlen.“ Ein entsprechender Antrag des Vereins sei nicht eingegangen.

Anfragen liefen ins Leere

Auch an anderer Stelle liefen die Anfragen von Evsen und seinen Mitstreitern ins Leere. Die Integrationsbeauftragten aller Landtagsfraktionen, die Städte Freiburg, Lahr und andere reagierten auf Anfragen meist überhaupt nicht. Evsen glaubt, das liege daran, dass deutsche Politiker es sich nicht mit der türkischen Gemeinschaft verscherzen wollten.

Auch in Esslingen hatte er zunächst kein Glück. Evsen strebte eine Städtepartnerstadt zwischen der Kreisstadt und der Stadt Hezex an, nach der der Verein benannt ist. „Ich habe ständig beim Oberbürgermeister angerufen und E-Mails geschrieben. Man hat uns bei der Stadt über ein halbes Jahr lang vertröstet“, sagt Evsen.

Roland Karpentier, Pressesprecher der Stadt, signalisiert künftig aber Gesprächsbereitschaft: „Wir wollen Hezex und die Ziele des Vereins unterstützen“, sagt er. Aus Sicht des Vereins etwas spät: Auf der Internetpräsenz der sogenannten Stuttgarter Kurden posieren deren Mitglieder auch in Esslingen – vor einem Einkaufszentrum am Bahnhof und demonstrieren dort die Stärke ihrer Gruppe.

Einschüchterungsversuche gegenüber Aktivisten

Kurz nach der Vereinsgründung von Hezex berichteten die Stuttgarter Nachrichten über die Ziele des Vereins. Dabei äußerten sich Vereinsmitglieder auch kritisch gegenüber der Red Legion. Auch wenn keine Mitglieder von Hezex darüber sprechen wollten, heißt es aus vereinsnahen Kreisen, dass die verbotene Legion damals per E-Mail Einschüchterungsversuche gegenüber den Aktivisten unternommen haben soll.

Ulrich Heffner, Pressesprecher beim Landeskriminalamt (LKA), hatte gefordert, dass vonseiten der kurdischen Gemeinschaft mehr Integrationsarbeit geleistet werden soll, um die steigende Bandenkriminalität aus ihrem Milieu vorbeugend zu bekämpfen. Evsen hofft, dass die Behörden angesichts der eskalierenden Lage künftig mehr Gehör für Hezex und ähnliche Gruppen haben.