Tagsüber sind im Hospitalviertel zu viele Parkplätze frei – reklamieren die Ämter und rechtfertigen damit die Parkgebühr von 400 statt 30 Euro jährlich. Foto: Gabi Ridder

Bei einer Diskussion über die neuen Parkregeln im Zentrum watscht das Publikum die Amtsvertreter ab. Die hatten bisher betont, die Betroffenen freuten sich über die Parkgebühr von 400 Euro.

S-Mitte - Der erste Stimmungstest beim gemeinen Bürger klingt keineswegs nach Dankbarkeit:

„Das ist keine anwohnerfreundliche Lösung.“ „Wir sind fassungslos.“ „Hier wird alles auf Zahlen runtergerechnet, der Mensch bleibt außen vor.“ „Sie haben keine taugliche Lösung.“ „Die Anwohner haben nachher auch keinen Parkplatz und zahlen dafür einen Haufen Kohle.“ „Das kann juristisch nicht in Ordnung sein.“ „Ironisch gesprochen, ist das ein wunderbarer Beitrag zur Gentrifizierung.“

Diese Sätze werden gesprochen bei einer Publikumsdiskussion über die neuen Parkregeln für die Stadtmitte, insbesondere über die 400 Euro Jahresgebühr, die Anwohner künftig der Stadt fürs Laternenparken überweisen müssen. Sie sind gerichtet an den Stadtplaner Stephan Oehler und die städtische Verkehrsrechtlerin Birgit Wöhrle. Die beiden sind die Hauptverantwortlichen für das sogenannte Parkraummanagement. In der Vergangenheit haben Wöhrle und Oehler stets betont, die Betroffenen seien dankbar, allzeit für wenig Geld im Zentrum parken zu dürfen. Womöglich ist das Publikum an diesem Abend im Hospitalhof ein spezielles. Danken will jedenfalls niemand.

Fest steht: Zumindest der Bezirksbeirat wird keinen Frieden mit dem Erlass des Ordnungsbürgermeisters Martin Schairer schließen. Dem Stadtparlament hatte der Bürgermeister das Abstimmungsrecht entzogen, so der Vorwurf. „Die Verwaltung hat gesagt, der Gemeinderat ist nicht zuständig“, sagt der SPD-Stadtrat Hans H. Pfeifer.

Sogar die Grünen halten 400 Euro für zuviel

Im Bezirksbeirat halten sogar die Grünen jene 400 Euro für zu hoch. Am Tag vor der Diskussion im Hospitalhof haben die Lokalpolitiker den Gemeinderat aufgefordert, das Verfahren an sich zu ziehen. Außerdem fordern sie eine Antwort auf die vor Monaten formulierte Frage, ob ein Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Lage womöglich grundlegend ändert. Die Richter hatten zweifelsfrei erklärt, dass bei der Zählung freier Parkplätze gebührenpflichtige Parkhäuser nicht eingerechnet werden dürfen. Dies tut die Stadt Stuttgart. Sonst müsste sie die Gebühr im Stadtzentrum in gleicher Höhe festsetzen wie in den anderen Innenstadtbezirken, auf 30 Euro jährlich. Zu dem Urteil „braucht auch der Gemeinderat eine klare Auskunft“, sagt Pfeifer.

Die bekommt das Publikum im Hospitalhof noch vor der Politik. Jenes Urteil sei „in einem völlig anderen Zusammenhang“ gefällt worden, sagt Wöhrle. Das letzte Wort zur möglichen Relevanz des Richterspruchs werde eine städtische Juristin sprechen, aber „ich kann Ihnen da wenig Hoffnung machen“. Was grundsätzlich gilt. Der Beschluss ist gefallen, vom Oktober an wird die Stadt die 400 Euro kassieren.

Keine andere Großstadt verlangt ähnlich viel Geld

Die rund 30 Zuhörer gehören augenscheinlich zum gehobenen Bildungsbürgertum, das kommunalpolitisch durchaus informiert ist. Niemandem hier ist der VGH-Spruch aus Bayern entgangen. Jeder hier weiß, dass keine andere Großstadt Deutschlands auch nur annähernd hohe Beträge für das Laternenparken verlangt. Spitzenreiter ist München – mit 102 Euro jährlich in seiner historischen Altstadt.

Oehler sagt, dass „es schwierig ist, die Materie an den Bürger heranzubringen, aber es gibt Bürger, die es verstehen“. Das Problem sei ein juristisches und eines des sogenannten Parkdrucks. Sinngemäß: Die Stadt würde gern, aber sie dürfe nicht die 30 Euro verlangen, die im Westen schon gelten und in den anderen Innenstadtbezirken gelten werden. Dafür „muss den ganzen Tag über alles zugeparkt sein“. Im Norden oder Süden seien zu keiner Zeit Parkplätze zu finden, im Hospitalviertel sehr wohl. Deswegen sei das Zentrum „eine andere Welt“.

Der Stadtplaner spricht gern von Welten, von Gebührenwelten, Rechtswelten, Finanzwelten. Aus dem Publikum hört er, dass Stuttgart sich nicht in Welten teilt, sondern eine Stadt ist. In der wahren Welt sei es uninteressant, ob am Vormittag ein Parkplatz frei ist. Nach Feierabend ist keiner frei. Was so ziemlich der einzige Punkt bleibt, in dem die Rathausbediensteten und das Publikum sich einig sind. Spätestens um acht am Abend ist kein legaler Parkplatz mehr zu bekommen. Nach 22 Uhr stellt zumindest von Donnerstag bis Sonntag das Partyvolk jeden freien Fleck zu – gleich, ob legal oder illegal.

Was zwar unzweifelhaft ist, aber von Amts wegen auch nicht als Argument taugt. „Das ist kein Problem des Parkdrucks“, sagt Wöhrle, „sondern eines des rechtswidrigen Parkens“. Allerdings nur bis 22 Uhr. Just zu der Stunde, zu der das Nachtleben beginnt, endet die Zeit, in der die neuen Parkregeln gelten sollen. Eine Verlängerung bis Mitternacht, sagt Oehler, „ist ein Thema, vielleicht kommen wir irgendwann da hin“.