Die Sanierung des Straßennetzes hat für Verkehrsminister Hermann Priorität vor dem Neubau. Foto: dpa

Das Land hat im Jahr 2015 an 633 Kilometern Bundes- und Landesstraßen Erhaltungsmaßnahmen ausgeführt – gegenüber 380 Kilometern im Jahr 2011, als Schwarz-Gelb regierte. In diesem Jahr gibt das Land die Rekordsumme von 120 Millionen Euro allein für die Sanierung von Landesstraßen aus.

Stuttgart - Bei Regierungsantritt 2011, so Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Donnerstag, seien knapp 40 Prozent der Bundesstraßen im Land und 50 Prozent der Landesstraßen sanierungsbedürftig gewesen – insgesamt 6200 Kilometer. „Davon haben wir 2400 Kilometer geschafft“, betonte Hermann. Aus seiner Sicht hat der Erhalt des Straßennetzes absoluten Vorrang gegenüber Neubaustrecken: Für den Verkehrsfluss sei es wesentlich effektiver, „Jahr für Jahr mehrere Hundert Kilometer zu sanieren, als ein paar Kilometer neu zu bauen“. Neubauten kommen aus Hermanns Sicht nur bei Engpässen oder sehr stark belasteten Ortsdurchfahrten in Betracht. Rund 475 Millionen Euro kann Hermann in diesem Jahr für den Erhalt von Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen ausgeben.

Bei der Sanierung werde konsequent nach Dringlichkeit vorgegangen, sagte der Minister. „Priorisieren, planen, umsetzen“, skizzierte Hermann die Vorgehensweise, die wegen ihrer Transparenz auf viel Zustimmung bei den Städten und Gemeinden stoße.

„Erst im Wahlkampf haben die Grünen den Straßenbau für sich entdeckt und den Mitteleinsatz erhöht“, reagierte am Donnerstag Nicole Razavi, verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion. Glaubwürdige Verkehrspolitik sehe anders aus, zumal sich Hermann mit fremden Federn, nämlich Bundesmitteln, schmücke. Hermann dagegen begrüßt zwar die höheren Mittel des Bundes für den Straßenerhalt, er sieht aber manche Projekte durch das Bundesverkehrsministerium blockiert: „Der Bund verhindert Spatenstiche für rund 270 Millionen Euro“, sagte er am Donnerstag.

Kalt erwischt von Hitzeschäden

Einen Schwerpunkt setzt das Land auch dieses Jahr wieder auf die Instandhaltung der Brücken – die besonders kostspielig ist. Der Bund muss sich auf rund 180 Millionen Euro Sanierungskosten in diesem Jahr für die Fernstraßen im Land einstellen, das Land auf rund 30 Millionen. Allerdings ahne auch kaum jemand, so Hermann, dass es im Land 9263 Brücken an Bundes- und Landesstraßen gebe. Umgerechnet entspricht dies einer Brücke alle 1,5 Kilometer. „Als Autofahrer merkt man davon oft nichts.“ Denn auch bei einer Höhendifferenz von fünf Metern sprechen die Fachleute schon von einem Kunstbauwerk.

„Viele Brücken sind wegen der signifikanten Zunahme des Lkw-Verkehrs und des zulässigen Gesamtgewichts den heutigen Nutzungsanforderungen nicht mehr gewachsen“, so Hermann. Die Statik müsse deshalb in aufwendigen Gutachten rechnerisch überprüft werden. Zur ersten Tranche des Sanierungsprogramms gehörten etwa die Bahnbrücke Mannheim-Friedrichsfeld auf der A 656 oder die Egelseebrücke Vaihingen auf der B 10.

Kalt erwischt wurde die Straßenbauverwaltung im vergangenen Jahr von den durch die große Hitze entstandenen Schäden auf Autobahnen – den Blow-ups. Deshalb werden jetzt Autobahnabschnitte mit Betonfahrbahn saniert. Um Hitzeschäden künftig zu vermeiden, sollen die betroffenen 260 Kilometer innerhalb der kommenden zehn Jahre erneuert werden, so Hermann. Er rechnet mit Gesamtkosten von 500 Millionen Euro. Im laufenden Jahr liege der Schwerpunkt auf der A 5 bei Weinheim, Ettlingen und St. Leon, auf der A 7 Würzburg–Ulm, der A 8 Stuttgart–Karlsruhe und der A 81 Heilbronn–Würzburg. Vor allem ältere Betonfahrbahnen können bei mehr als 30 Grad im Schatten plötzlich aufplatzen.

Alter Asphalt wird recycelt

Bei der Straßensanierung setze das Land konsequent auf Recycling: Der alte Asphalt werde abgetragen, mit einem Zusatzstoff vermischt und neu aufgebracht: „Das funktioniert, ist umweltfreundlich, produziert keinen Abraum und ist auch noch kostengünstiger.“

Besondere Anstrengungen richtet das Land auf den Lärmschutz: Mit Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) wurde die erste Lärmschutzbeauftragte berufen. „In Baden-Württemberg leiden jede Nacht 280 000 Menschen unter Straßenverkehrslärm“, sagte Splett am Donnerstag. Um besser auf Lärmprobleme reagieren zu können, hat das Land mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2015/2016 die Lärmsanierungswerte an Landesstraßen in Gebieten mit regulärer Wohnnutzung um zwei dB(A) auf 65 dB(A) tagsüber und 55 dB(A) nachts abgesenkt. Außerdem wurde festgelegt, dass nun auch innerorts verstärkt lärmarmer Asphalt zum Einsatz kommen soll. „Ich freue mich, dass viele Maßnahmen unseres Lärmsanierungsprogramms 2014–2016 bereits umgesetzt werden konnten und dieses Jahr weitere Projekte realisiert werden“, sagte Splett. Vorgesehen sind der Bau von drei Lärmschutzwänden, umfangreiche passive Lärmsanierungen wie Lärmschutzfenster sowie der Einbau eines lärmmindernden Belags auf 30 Kilometern.

Die unter Schwarz-Gelb stark ausgedünnte Straßenbauverwaltung stockt Grün-Rot personell zurzeit wieder auf: Im Doppelhaushalt 2015/2016 wurden 100 zusätzliche Stellen eingestellt. Es sei nicht einfach, passende Fachkräfte zu finden, so Hermann.