Ion Vintila hat früher in einem rumänischen Orchester Violine gespielt. Foto: Sascha Sauer

Ion Vintila aus Untertürkheim spielt virtuos Akkordeon – in Unterführungen. Damit erfreut er die Passanten.

Untertürkheim - Die S-Bahn-Unterführung ist die Bühne. Die Pendler sind das Publikum. Wenn Ion Vintila sich auf den Klappstuhl setzt und das Akkordeon auf dem kräftigen Oberschenkel abstellt, dann gibt es Tschaikowsky, Mozart und Bach. Oder genauer gesagt viel Tschaikowsky und ein bisschen Bach.

Ion Vintila ist Rumäne. Seit gut zehn Monaten spielt der 55-Jährige, der in Untertürkheim lebt, in Fellbach. Wer oft mit der S-Bahn fährt, hat den Mann mit dem offenen Gesicht, das von einem Vollbart umrahmt wird, bestimmt schon gesehen. Hat ihm vielleicht sogar schon mal ein paar Cent oder Euro in die Mütze gelegt. Das freut Ion Vintila, denn mit Straßenmusik verdient er sein Geld. Früher spielte er in einem rumänischen Orchester Violine, hatte auch Auftritte in Russland und Bulgarien. Das war noch unter dem Regime von Nicolae Ceausescu. Als der Diktator 1989 gestürzt wurde, war es bald auch mit dem Orchester vorbei. „Wir wurden nicht mehr bezahlt“, erzählt Ion Vintila in einem Gemisch aus Rumänisch, Französisch und Deutsch.

Von der Violine zum Akkordeon

Von da an spielte er Tschaikowsky, Mozart und Bach auf Hochzeiten, bei Familienfeiern und auf der Straße. Doch die Wirbelsäule macht Probleme. Inzwischen kann er drei Finger an der linken Hand nicht mehr richtig bewegen. Deshalb musste er die Violine an den Nagel hängen.

Ion Vintila ist aufs Akkordeon umgestiegen. Immer montags, mittwochs und freitags spielt er in Fellbach – meist von 7 bis 11 Uhr. „Ich mache den Leuten Freude, die zur Arbeit gehen“, sagt der Straßenmusiker. Zu den Klassikern am Morgen gehört Tschaikowskys Schwanensee. In dem Ballettstück steckt viel Kraft, die sich auch auf die Pendler überträgt. So mancher mürrischer Blick verwandelt sich plötzlich in ein leises Lächeln.

Erst Musikhochschule, dann Straßenmusik

Über einen Freund ist Vintila vor einigen Jahren nach Deutschland gekommen. Inzwischen lebt auch seine Familie in Untertürkheim. Seine Frau geht putzen, die Kinder gehen zur Schule. Dass er als Straßenmusiker mit dem Akkordeon sein Geld verdienen muss, obwohl er einst an einer Musikhochschule bei Bukarest Violine studiert hat, nimmt er verhältnismäßig gelassen. So spielt das Leben eben seine eigene Melodie.

„In Rumänien hätte ich keine Chance zu arbeiten“, sagt er. Ion Vintila spielt auch in Esslingen und auf der Stuttgarter Königstraße. Aber er stellt seinen Klappstuhl gerne in der S-Bahn-Unterführung in Fellbach auf. „Die Leute grüßen mich dort immer nett“, sagt er.

Spielen mit nur sieben Fingern

Die schönen, klassischen Melodien spielt er mit sieben Fingern, denn an der linken Hand sind Daumen, kleiner Finger und Ringfinger für das Musikmachen zu unbeweglich. Aber Schwanensee auf dem Akkordeon funktioniert auch so. Der russische Komponist hat es ihm angetan: „ Die Musik von Tschaikowsky ist gut fürs Herz“, sagt Ion Vintila.