Trotz Behindertenparkausweis kassiert ein Stuttgarter ständig Strafzettel. Foto: dpa

Ein Stuttgarter kassiert trotz orangefarbenem Behindertenparkausweis ständig Strafzettel.

Stuttgart - Alexander Takacs hat einen orangefarbenen Behindertenparkausweis. Obwohl er damit im Bereich von Parkautomaten kostenlos ohne Zeitbegrenzung parken darf, kassiert er dort ständig Strafzettel. Nun wirft er den Kontrolleueren vor, den Ausweis nicht zu kennen und will es auf einen Prozess ankommen lassen.

Behinderte Autofahrer können entweder einen blauen oder einen orangefarbenen Parkausweis bekommen, mit dem sie auch dort parken können, wo nicht Behinderte mit einem Strafzettel rechnen müssen. Anspruch auf die orangefarbene Karte haben Menschen mit bestimmten Handicaps und einem Behinderungsgrad zwischen 50 und 80 Prozent.

Seite Ende 2006 hat die Stadt nur 316 solcher Ausweise ausgegeben

Der Ausweis berechtigt sie unter anderem zum Parken in Fußgängerzonen während der Ladezeiten und von bis zu drei Stunden im eingeschränkten Halteverbot sowie zum Parken in verkehrsberuhigten Bereichen und zum kostenlosen, zeitlich unbeschränkten Parken im Bereich von Parkautomaten. Seit Ende 2006 hat die Stadt insgesamt nur 316 solcher Ausweise ausgegeben.

Im gleichen Zeitraum wurden sehr viel mehr, nämlich rund 2800 blaue Parkausweise für Menschen mit außergewöhnlichen Gehbehinderungen sowie für Blinde und hilflose Personen beziehungsweise deren Fahrer vergeben. Blau gestattet zusätzlich auch das Parken auf den mit einem Rollstuhl gekennzeichneten Behindertenparkplätzen. Mit dem orangefarbenen Ausweis ist das nicht erlaubt.

Takacs hat binnen sechs Wochen zwölf Strafzettel bekommen

Alexander Takacs, der an multipler Sklerose leidet und deshalb seit vergangenem März einen orangefarbenen Parkausweis besitzt, ist überzeugt, dass die Verkehrsüberwacher das orangefarbene Dokument nicht kennen. Denn in den vergangenen sechs Wochen klemmten rund zwölf Strafzettel hinter seiner Windschutzscheibe.

"Und das, obwohl der Ausweis immer sichtbar im Wagen lag und mein Smart korrekt in der Schelling- oder Dorotheenstraße im Bereich des Parkscheinautomaten abgestellt war", sagt der 43-Jährige, der im Sozialministerium arbeitet und dort ehrenamtlich für die Belange Schwerbehinderter zuständig ist. Als er die Rücknahme der Bescheide verlangte, hätten sich die Politessen darauf berufen, dass der Ausweis nicht zu sehen war.

Joachim Elser, Leiter der Straßenverkehrsüberwachung, geht davon aus, dass die Angaben seiner Mitarbeiter korrekt und der Ausweis tatsächlich von außen nicht zu sehen oder zu lesen war. "Unsere Leute sind gut geschult. Sie kennen alle Parkausweise", sagt er. Es könne zwar sein, dass ein Kontrolleur "vielleicht ein- oder zweimal, aber keine zwölfmal" einen Ausweis übersehen habe. "Egal ob Behinderten- oder Anwohnerparkausweis: Die Bescheinigungen müssen gut lesbar hinter der Windschutzscheibe liegen", fordert Elser.

Körperbehinderten-Verein Stuttgart hat Ausweis noch nie gesehen

 Körperbehinderten-Verein Stuttgart hat Ausweis noch nie gesehen

Der orangefarbenen Ausweis wird erst seit etwa zwei Jahren bundesweit akzeptiert und sieht erst seitdem einheitlich aus. Davor hatten die Bundesländer eigene Regelungen. In manchen Ländern wurde der orangene Ausweis auch gar nicht akzeptiert. Im Vergleich zum blauen Ausweis ist er laut städtischem Amt für öffentliche Ordnung in Stuttgart kaum in Umlauf, weil er weniger Möglichkeiten als der blaue Ausweis bietet und sein Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung geringer ist.

Dass der orangefarbene nur bundesweit gültige im Gegensatz zu dem europaweit gültigen blauen Ausweis kaum bekannt ist, bestätigt auch der Körperbehinderten-Verein Stuttgart. "Den Ausweis hab' ich noch nie gesehen", gibt Matias vom Brocke, Verwaltungsleiter des Vereins, unumwunden zu, und seine Mitarbeiter zucken ebenfalls mit den Schultern. Grund für die Unkenntnis dort sei, dass es der Verein in der Regel mit Menschen zu tun habe, die im Rollstuhl sitzen, zu hundert Prozent behindert sind - also die Voraussetzungen haben, einen blauen Ausweis zu bekommen.

Verkehrsüberwachung der Stadt kennt kein Pardon

"Ich bekomme keinen blauen Ausweis", weil ich 20 Meter ohne Rollstuhl zurücklegen kann", sagt Takacs. Dass die Strafzettel nicht zurückgenommen werden, kann er nicht verstehen. Er ist allerdings nicht der einzige, der sich beschwert. Bei der Verkehrsüberwachung der Stadt Stuttgart gehen täglich insgesamt bis zu 60 Einsprüche per E-Mail von Autofahrern ein, die Bußgeldbescheide nicht hinnehmen wollen. Zurückgenommen würden sie, wenn ein Ausweis "ein- oder zweimal mal" nicht zu sehen war. "Wir sind sehr kulant gegenüber Behinderten und nicht Behinderten", versichert Elser.

Kein Pardon kennt sein Amt, wenn Ausweise permanent nicht lesbar im Wagen liegen sowie bei in Brandschutz- und Halteverboten sowie unberechtigt auf Behindertenparkplätzen abgestellten Autos. Wie viele Strafzettel zurückgenommen werden, lässt sich laut Elser nicht feststellen. Im Falle Takacs sei die Behörde aber nicht zur Kulanz bereit.

Alexander Takacs seinerseits denkt nicht dran, die Strafzettel zu bezahlen. Er will eine gerichtliche Klärung herbeiführen. "Es geht darum, bekannt zu machen, welche Bedeutung der orangefarbene Ausweis hat", sagt er und fordert, die Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Und Matias vom Brocke stellt fest: "Es gibt im Behindertenbereich vieles, was unbekannt und wo Aufklärung dringend nötig ist".