Jan Böhmermanns Schmähkritik hat zu einer Fragestunde des Bundestages geführt. Foto: dpa

Internationale Medien sehen Angela Merkel in der „Böhmermann-Falle“, die Kanzlerin selbst bleibt die Antwort auf eine Strafverfolgung Jan Böhmermanns weiter schuldig.

Stolpe - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt weiter offen, wann die Bundesregierung über den förmlichen Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann entscheiden wird. „Ich habe immer gesagt, wir werden einige Tage brauchen, aber nicht Wochen“ sagte Merkel am Mittwoch nach einer Beratung mit den Ost-Regierungschefs im vorpommerschen Stolpe.

Entscheidung noch in dieser Woche

Unterdessen nimmt die Solidarität im In- und Ausland mit dem ZDF-Satiriker zu. Unter anderem forderten Schauspieler Matthias Brandt, Pianist Igor Levit und Schauspielerin Katja Riemann in einem offenen Brief, die juristischen Ermittlungen gegen den 35-jährigen Satiriker und Grimmepreisträger unverzüglich einzustellen. Das Schreiben veröffentlicht die Wochenzeitung „Die Zeit“ am Donnerstag. Ob es zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommt, will die Bundesregierung wohl noch diese Woche entscheiden.

Der ZDF-Moderator hatte vor zwei Wochen in seiner Sendung „Neo Magazine Royale“ in einem Gedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bewusst beleidigende Formulierungen benutzt. Er kündigte das Gedicht in der Sendung als Beispiel für herabwürdigende Schmähkritik an, die nicht erlaubt sei. Die nächste Ausgabe an diesem Donnerstag hat Böhmermann, der mittlerweile unter Polizeischutz steht, jedoch abgesagt und zum zweiten Mal bereits die sonntägliche Radioshow „Sanft und Sorgfältig“ beim Berliner Sender radioeins.

Rückendeckung aus der Politik

Rückendeckung bekam Böhmermann auch aus der Politik: „So sehr wir die Zusammenarbeit für die Flüchtlinge schätzen, so unverändert ist unsere Haltung in anderen Fragen, wenn es etwa um Grundwerte wie dasjenige der Pressefreiheit geht“, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er könne nicht nachvollziehen, dass der deutsche Botschafter in der Türkei wegen eines „unmöglichen satirischen Liedes“ einbestellt werde: „Das bringt die Türkei nicht näher an uns ran, sondern entfernt uns voneinander.“

Es sei unerträglich und sehr bedenklich, dass das „Hineinwirken“ der Türkei in diesem Zusammenhang zur Absage der nächsten Sendung und zu Polizeischutz für den Satiriker geführt habe, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Zwar halte er den Beitrag Böhmermanns nicht für gelungene Satire und schlechten Stil. Der Umgang Erdogans damit zeige aber grundsätzlich, dass dieser „ein gestörtes Verhältnis zu Presse- und Meinungsfreiheit hat“.

„Was Böhmermann macht, ist nicht meine Art von Humor“, sagte Guy Verhofstadt, ehemaliger Premierminister von Belgien, in einem Tweet. „Aber in einer freien Gesellschaft ist das der Preis, den wir für unsere Freiheit zahlen müssen.“

Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Justiz wird sich auf alle Fälle mit Böhmermann befassen müssen. Am Dienstagabend sagte Erdogans Anwalt Hubertus von Sprenger, mit seinem Mandanten bis in die letzte Instanz gegen das „Schmähkritik“-Gedicht Böhmermanns vorzugehen. „Wenn ich das Mandat annehme, ziehe ich das auch durch“, sagte von Sprenger im ZDF-„heute journal“. „Der Präsident verspricht sich die Bestrafung des Betroffenen und verspricht sich auch, dass der in Zukunft das nicht wiederholt, was er gesagt hat, auf zivilrechtlicher Ebene.“

Nach Anzeigen gegen Böhmermann und Verantwortliche des ZDF ermittelt die Mainzer Staatsanwaltschaft. Die Bundesregierung prüft einen förmlichen Wunsch der Türkei nach einer Strafverfolgung Böhmermanns wegen der Beleidigung eines Staatsoberhaupts nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs. Die Künstler verlangten in ihrem Brief dagegen die zügige Abschaffung des Paragrafen.

Die Regierung will in der Affäre auf jeden Fall eine Entscheidung treffen - unabhängig von einer möglichen kurzfristigen Änderung des Strafrechts. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin: „Die Bundesregierung drückt sich nicht um eine Entscheidung über die Reaktion auf die türkische Verbalnote. Diese Entscheidung wird getroffen.“ Wann, sagte er nicht.

Verwirrung um „Bild“-Interview

Am Mittwochmorgen stiftete „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann mit einem angeblichen Böhmermann-Interview Verwirrung. Das auf Diekmanns Facebook-Seite veröffentlichte Gespräch war übertitelt mit den Worten: „Jan Böhmermann bricht sein Schweigen! Das große Interview zum Erdogan-Eklat!“

Der ZDF-Moderator wird im weiteren Verlauf unter anderem auf die Frage nach dem Grund seiner Satire mit den Worten zitiert: „Wie gehen wir mit schrecklichen Regimen um, auf die wir angewiesen sind? Mit „Traumschiff“ und „Forsthaus Falkenau“ treten Sie solche Debatten nun mal nicht los. Das ZDF sollte mir dankbar sein. Das ist meine Botschaft. Making ZDF great again, wie Donald Trump sagen würde!“

Später twitterte Diekmann: „Ich sag’ es mal in den Worten des falschen Böhmermann: „Das ganze Leben ist Satire. Man muss sie nur erkennen.“ #Boehmermann #Interview“.