Gunter Demnig verlegt den Stolperstein für Nikolaus Tschermuk. Foto: Sandra Hintermayr

Vor dem Regierungspräsidium erinnert ein Stolperstein an den russischen Zwangsarbeiter Nikolaus Tschermuk. Die unmenschliche Behandlung brachte den 19-Jährigen dazu, sich 1944 zu erhängen.

Vaihingen - Nikolaus Tschermuk war erst 19 Jahre alt, als er sich das Leben nahm. „Er hat sicherlich keinen anderen Ausweg gesehen“, sagte Alexandra Sußmann; sie ist Regierungsvizepräsidentin beim Regierungspräsidium Stuttgart. Sie erinnerte am Donnerstagvormittag an den jungen Russen, der während des Dritten Reiches nach Stuttgart verschleppt worden war und als Zwangsarbeiter in der Metallwarenfabrik Herberts arbeiten musste. Diese hatte ihren Sitz seit 1937 in Vaihingen.

Im Industriegebiet waren etwa 500 russische Zwangsarbeiter beschäftigt. Dazu kamen 285 Personen aus Polen. „Sie wurden ausgebeutet und unmenschlich behandelt“, sagte Sußmann. „Die Zwangsarbeiter wurden als rassisch minderwertig eingestuft“, ergänzte Karl-Horst Marquart von der Stolperstein-Initiative Vaihingen. So hätten sie etwa einen Aufnäher mit dem Wort „Ost“ auf ihrer Kleidung tragen müssen, um sie auf den ersten Blick als Zwangsarbeiter aus Osteuropa kenntlich zu machen. Sie waren praktisch recht- und schutzlos.

Der 19-Jährige erhängte sich an seiner Arbeitsstelle

Mit dem vom Kölner Künstler Gunter Demnig verlegten Stolperstein vor dem Regierungspräsidium soll nun an das Schicksal von Nikolaus Tschermuk erinnert werden. „Leider wissen wir nichts Genaueres über ihn“, sagte Sußmann. Lediglich, dass er 1924 in Russland geboren wurde und als Zwangsarbeiter 1944 die Flucht in den Tod suchte. Zwei Wochen vor seinem 20. Geburtstag erhängte sich der junge Mann an seiner Arbeitsstelle.

Die Metallwarenfabrik Herberts stellte eigentlich Zubehörteile für die Automobilindustrie her, wie etwa den Kühlerstern für Mercedes, hat Marquart rausgefunden. Später produzierte die Firma für die Kriegsindustrie. Die Zwangsarbeiter seien dabei unverzichtbare Arbeitskräfte gewesen, sagte Marquart. Die Firmengebäude befanden sich ursprünglich auf dem Gelände an der Schockenriedstraße 20, das in diesem Jahr abgerissen wurde, weil die Firma Daimler dort einen neuen Standort bauen möchte. Aus diesem Grund wurde der Stolperstein schräg gegenüber vor dem Regierungspräsidium in den Gehweg eingelassen. Dort befinden sich bereits zwei Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus. Diese erinnern an den NS-Gegner Eugen Banz und an die russische Zwangsarbeiterin Katharina Karanowa.

Ein Gedenken an die Untaten der NS-Zeit

Die Stolpersteinverlegung wurde begleitet durch die Flötengruppe der Karl-Schubert-Gemeinschaft aus Filderstadt, die bereits bei der Verlegung des Steins für Karanowa im vergangenen Jahr für den musikalischen Rahmen gesorgt hatte.

Neben dem Stein für Tschermuk wurden am Donnerstag in Stuttgart 15 weitere verlegt. In der ganzen Stadt erinnern nun etwa 850 Stolpersteine an die Opfer des Nationalsozialismus. „Es ist wichtig, dass wir uns der Vergangenheit stellen. Wir gedenken mit dem Stolperstein den Untaten der NS-Zeit und halten das Schicksal von Nikolaus Tschermuk in Erinnerung“, sagte Sußmann.