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StN-Veranstaltung Mittendrin: Debatte um Auswüchse der Vergnügungsszene und Gegenmaßnahmen der Polizei.

Stuttgart - Die Zwischenfälle häufen sich: Ein 18-Jähriger raubt in der Innenstadt zwei älteren Passantinnen die Halsketten, ein 38-Jähriger wird in der Altstadt von einem Trio zu Boden geschlagen, getreten und beraubt, wobei der jüngste der Täter, die morgens um 5 zuschlagen, ein 14-Jähriger ist. Ein 22-Jähriger wird frühmorgens überfallen, ein 23-Jähriger aus Sri Lanka, der mit seinem Bruder Geburtstag feiert, landet vom Schlossplatz im Krankenhaus.

Dabei ist die Zahl der Straftaten in der Stuttgarter Innenstadt leicht gesunken – im vergangenen Jahr gab es weniger als 16 000 Straftaten. Ein Rückgang von etwa zwei Prozent ändert aber wenig an der Tatsache, dass die Kriminalitätsbelastung in der City am höchsten ist.

Statistisch gibt es pro 1000 Einwohner 740 Delikte – das ist ein sechsfach höherer Wert als im Stadtbezirk Bad Cannstatt, der wegen seiner Großveranstaltungen auf dem Wasen ebenfalls überdurchschnittlich belastet ist. Dort sind es 124 Straftaten pro 1000 Einwohner.

In der ersten Jahreshälfte hatte Polizeipräsident Thomas Züfle eine härtere Gangart gegen die Vergnügungsszene angekündigt, aus deren Reihen immer wieder Gewaltstraftaten begangen wurden. „Alkohol ist ein Katalysator für Gewalt“, so Züfles Begründung. Bei nächtlichen Schwerpunktaktionen rund um Gaststätten und Discotheken bekam es die Polizei mit aggressiven jungen Männern um die 20 zu tun, denen die Fäuste locker sitzen – und diese auch gegen Polizisten einsetzen. Zwischen 2 und 4 Uhr, so die Erfahrung, kocht die Stimmung besonders gerne über.

Die Gewaltkriminalität junger Menschen hat in Stuttgart einen Höchststand erreicht. Erstmals wurden im vergangenen Jahr mehr als 900 Tatverdächtige unter 21 Jahren nach Körperverletzungsdelikten erwischt. Dabei spielt der Alkohol eine bedeutsame Rolle: Jeder dritte Jungtäter hatte bei schweren und gefährlichen Körperverletzungen zu viel Promille im Blut, bei Raubdelikten war es fast jeder zweite. Der Stuttgarter Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) forderte deshalb vor Wochen eine Nachbesserung im Polizeigesetz Baden-Württemberg: Die Städte sollten die Möglichkeit erhalten, ein zeitlich und räumlich befristetes Verbot von Alkohol auf Straßen und Plätzen auszusprechen. „Die Sicherheitslage ist grundsätzlich gut, nur die Spitzen gefallen uns nicht“, sagte er.

Wie sich die Lage weiterentwickelt hat, ist auch das Thema einer Podiumsdiskussion unserer Zeitung. Am Montag, 10. September, werden Ordnungshüter und Kenner der Innenstadt von 19 Uhr an darüber sprechen, wie sicher die Stuttgarter Innenstadt ist, wo es Nachholbedarf oder auch nur falschen Alarm gibt. Bei der Veranstaltung im Haus der Katholischen Kirche in der unteren Königstraße hat Polizeipräsident Thomas Züfle zugesagt, die Situation zu analysieren. Von Interesse dürfte dabei sein, was er sonst noch an Maßnahmen im Köcher hat – angesichts einer stetig schrumpfenden Zahl von Stellen im Polizeipräsidium. Muss die Stadt selbst verstärkt in die Bresche springen – mit einem verstärkten Vollzugsdienst? Schon 1995 hatte sich der einstige Feldschutz als städtischer Vollzugsdienst auf die City konzentriert. Besonders interessant dürften auch die Erfahrungen aus ganz anderem Blickwinkel sein – der katholische Stadtdekan Christian Hermes als Hausherr der Veranstaltung und die Mitbegründerin der Theo-Heuss-Partymeile, Yvette Zimmerle, wollen kein Blatt vor den Mund nehmen.