Der Sitz der Schweizer Bank UBS in Zürich: Tausende Steuerflüchtlinge, die ihr Geld über die UBS in die Schweiz geschafft haben, müssen jetzt mit Post von der Staatsanwaltschaft rechnen Foto: dapd

Die Schweizer UBS soll Anlegern dabei geholfen haben, Kapital am deutschen Fiskus vorbei in die Schweiz zu transferieren.

Berlin - Die Schweizer Großbank UBS soll Anlegern dabei geholfen haben, Kapital am deutschen Fiskus vorbei in die Schweiz zu transferieren. Den Stein ins Rollen brachten Nachforschungen von Mannheimer Finanzbeamten.

Finanzbeamten in Mannheim fiel auf, dass ein Kapitalanleger, der seinen Wohnsitz im Raum Mannheim hat, am Fiskus vorbei nennenswerte Geldbeträge in die Schweiz transferierte. Abgewickelt wurden die Transfers ins Nachbarland über Konten der Frankfurter Niederlassung der Schweizer Großbank UBS. Recherchen ergaben dann, dass bei den Transfers einschlägige Vorschriften für Auslandsüberweisungen umgangen wurden. Anstatt den offiziellen Weg zu wählen, der für die Finanzbehörden nachvollziehbar gewesen wäre, wanderte das Geld offenbar über ein internes Verrechnungskonto der deutschen UBS-Niederlassung in die Schweiz.

Die Finanzbeamten schöpften schnell Verdacht, dass dies kein Einzelfall sei. Die Steuerfahndung und die Mannheimer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte zogen die Ermittlungen an sich und standen im Mai dieses Jahres mit einem Durchsuchungsbeschluss vor den Firmenräumen der UBS Deutschland AG. Die UBS residiert im Frankfurter Bankenviertel direkt gegenüber der Oper. Dabei beschlagnahmten die Ermittler auf Computern mehrere Hunderttausend Datensätze. Nach erster Durchsicht waren sie sich sicher: Der Fall des Mannheimer Anlegers hat System. Offensichtlich, so die Erkenntnis der Ermittler, hat eine hohe Anzahl von Anlegern, die aus dem gesamten Bundesgebiet kommen, mit derselben Masche über die UBS illegal Geld in die Schweiz überwiesen. Dabei wurden offenbar zielgerichtet und über Jahre hinweg die Regeln für Auslandsüberweisungen verletzt.

Den Stein ins Rollen brachten Nachforschungen von Mannheimer Finanzbeamten

Der Mannheimer Staatsanwalt Peter Lintz bestätigt unserer Zeitung, „dass die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen noch unbekannte Verantwortliche bei der UBS Deutschland AG ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung führt“. Mitarbeiter der Bank sollen Anleger dabei unterstützt haben, Gelder am Fiskus vorbei in die Schweiz zu transferieren, so Lintz weiter. Bei den Durchsuchungen im Mai sei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden, dessen Auswertung andauere. Die Staatsanwaltschaft deutet die große Dimension des Falles an. „Wann die Auswertung abgeschlossen sein wird, kann derzeit aufgrund des Umfangs und der technischen Komplexität noch nicht abgeschätzt werden.“ Auch die Bankenaufsicht Bafin ermittelt. Nach Informationen unserer Zeitung sind die Ermittlungen so komplex, dass ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen bei der Aufklärung helfen soll.

Darüber hinaus gibt sich die Staatsanwaltschaft zugeknöpft, sie will die laufenden Ermittlungen nicht gefährden. Aber nach Informationen unserer Zeitung hat der Fall der UBS besonderes Gewicht: Zum einen wegen der zeitlichen Dimension. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch die UBS soll in einem Zeitraum von 2004 bis weit in das Jahr 2012 hinein stattgefunden haben. Die lange Dauer spricht dafür, dass womöglich Tausende von Steuersündern ertappt worden sind und demnächst Post von ihrem Finanzamt bekommen dürften.

Zudem ist erstaunlich, dass die UBS – wenn die Vorwürfe stimmen – dann eben nicht, wie ihre Verantwortlichen beteuern, 2009 dem Geschäftsmodell abgeschworen habe, Geld deutscher Anleger am Fiskus vorbei in die Schweiz zu schleusen. Demnach wäre die Weißgeldstrategie, zu der sich Schweizer Banken selbst verpflichtet haben, im Fall der UBS lediglich ein Lippenbekenntnis. Tatsächlich würde die Bank immer noch das Privatkundengeschäft nach altem Schwarzgeldmuster betreiben. Zu prüfen ist noch, ob auch andere Banken mit Hauptsitz in der Schweiz auf ähnlichem Wege diskret das Geld deutscher Anleger an der Steuer vorbei in die Alpenrepublik geschleust haben.

Schwere Belastung für die Beziehungen von Deutschland und der Schweiz

Mit dem Fall vertraute Quellen besagen zudem, dass die Ermittler eine bislang unbekannte Variante der Steuerhinterziehung aufgedeckt haben. Bis heute ist im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung vor allem nach Guthabenkonten in der Schweiz gefahndet worden. Im UBS-Fall ist den Ermittlern aber aufgefallen, dass bei vielen Transfers Geld aus Deutschland für Zinsen und Tilgung von Krediten in der Schweiz benutzt wurde. Wenn sich der Verdacht erhärtet, würden also Steuern hinterzogen, indem mit unversteuertem Geld Kreditverträge in der Schweiz bedient werden.

Der neuerliche Fall einer Schweizer Bank, die im Verdacht steht, im großen Stil Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben, wird zu einem politisch sensiblen Zeitpunkt publik. Noch immer hoffen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und die Schweizer Regierung, dass das ausverhandelte Steuerabkommen zwischen den beiden Ländern auch vom hiesigen Bundesrat beschlossen wird und damit wie geplant 2013 in Kraft treten kann.

Kritiker des Abkommens fühlen sich bestätigt

Doch in der Länderkammer haben Union und FDP keine Mehrheit, die meisten SPD-regierten oder -mitregierten Länder haben große Bedenken, dem Abkommen zuzustimmen. Stein des Anstoßes ist vor allem die vorgesehene Regelung, dass es künftig in der Verantwortung der Schweizer Banken sein soll, die fälligen Zinsen abzuschöpfen und an den deutschen Fiskus zu überweisen.

Kritiker des Abkommens haben stets moniert, dass damit die Schweizer Bankhäuser einen Vertrauensvorschuss bekommen. Den hätten sie aber nicht verdient, weil sie sich in der Vergangenheit allzu häufig als Helfershelfer von Steuerhinterziehern und Schwarzgeldsünden betätigt haben. Bemängelt wird an dem Abkommen zudem, dass es eine Amnestie für Altfälle geben soll.

Sollte sich der Verdacht der Mannheimer Staatsanwälte gegen die UBS erhärten, wäre dies eine schwere Belastung für die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland. Zudem würden sich die ohnehin nur dürftigen Aussichten, dass das Steuerabkommen die Hürde im Bundesrat nimmt, schlagartig verdüstern. Die Kritiker des Steuerabkommens in den Reihen der SPD dürften sich in ihrem tiefen Misstrauen gegenüber Schweizer Banken bestätigt fühlen.

Das Abkommen gilt als Amnestie für Altfälle

Vertreter der Schweizer Finanzindustrie hatten stets beteuert, dass die 2009 eingeläutete Weißgeldstrategie eingehalten werde. Das Verstecken von Geldern ihrer Kunden vor dem Fiskus sei endgültig Geschichte. Auch die Schweizer Finanzministerin plant Schritte zur Umsetzung der Weißgeldstrategie: Geplant ist etwa die obligatorische Selbstdeklaration. Kunden von Schweizer Banken mit Wohnsitz im Ausland müssten künftig schriftlich bestätigen, dass sie ihre Gelder auch wirklich korrekt versteuern.

Der UBS-Fall dürfte noch aus einem ganz anderen, handfesten Grund die Finanzminister der Länder vor dem geplanten Steuerabkommen zurückschrecken lassen. Wenn das Abkommen tatsächlich in Kraft träte, würde es gleichzeitig eine Amnestie für Altfälle geben. Das heißt aber auch: Alle Anleger, die über die UBS oder andere Banken in den letzten Jahren Kapital am deutschen Fiskus vorbei in die Schweiz verschoben haben, könnten sich in Sicherheit wiegen. Und der Fiskus würde leer ausgehen. Der Fall UBS würde also nicht die bei Fällen dieser Dimensionen übliche Flut an Selbstanzeigen, Steuernachzahlungen und Strafen in die Kassen der Länder spülen.