Der Kämmerer im Sindelfinger Rathaus muss 62 Millionen Euro ans Finanzamt zurückzahlen Foto: factum/Weise

Das Finanzamt hat es versäumt, die Stadt Sindelfingen rechtzeitig darüber zu informieren, dass möglicherweise hohe Gewerbesteuerrückzahlungen Daimler anstehen. Dies steht in einem Brief des Ministerialdirektors Rolf Schumacher an den Sindelfinger OB Bernd Vöhringer.

Sindelfingen - Das Finanzamt Stuttgart-Körperschaften hat es versäumt, die Stadt Sindelfingen rechtzeitig darüber zu informieren, dass möglicherweise hohe Gewerbesteuerrückzahlungen an das Unternehmen Daimler anstehen. Dies steht in einem Brief des Ministerialdirektors Rolf Schumacher vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft an den Sindelfinger OB Bernd Vöhringer. Stattdessen habe ein Sachbearbeiter des Finanzamts das Unternehmen Daimler gebeten, die Stadt über die Rückzahlung zu unterrichten. Dieses Schreiben, dessen Inhalt unserer Zeitung bekannt ist, unterliegt dem Steuergeheimnis. Es war eine Antwort auf die Anfrage Vöhringers an das Ministerium. Der OB forderte Aufklärung, warum die Stadt erst Ende März von der Forderung in Höhe von 62 Millionen Euro erfahren hatte.

Spätestens im September 2014 hätte das zuständige Finanzamt der Stadt mitteilen müssen, dass Einsprüche gegen Gewerbesteuerbescheide vorliegen, die zu Rückzahlungen führen könnten, damit die Stadt dies bei ihren Etatberatungen berücksichtigt, heißt es in dem Schreiben. Allerdings sei damals noch nicht klar gewesen, ob die Stadt tatsächlich zur Kasse gebeten würde und auch nicht der mögliche Umfang. Die konkreten Zahlen hätten Ende Januar festgestanden. Der zuständige Finanzbeamte ging laut dem Brief fälschlicherweise davon aus, dass er die Stadt wegen des Steuergeheimnisses nicht informieren dürfe. Stattdessen habe er Daimler gebeten, dies zu tun.

Daimler kam dieser Bitte laut dem Werksleiter Willi Reiss und dem Sindelfinger OB Benrd Vöhringer am 27. März nach, nachdem Stadt und Werk gemeinsam das 100-Jahr-Jubiläum des Unternehmens gefeiert hatten. In der Woche darauf erhielt die Stadt die die konkrete Rückforderung und informierte die Stadträte und die Öffentlichkeit.

Hintergrund für die Rückzahlungen sind Wertverluste im Pensionsvermögen von Daimler, die 2002 und 2003 angefallen waren. Nach Entscheidungen von Bundesfinanzhof und Bundesverfassungsgericht können diese nun steuerlich geltend gemacht werden. Hinzu kommen Zinsen, die seit 2002 aufgelaufen sind. Dies alles summiert sich auf 62 Millionen Euro.