Schäubles „Kriegskasse“ mag nun gefüllt sein. Aber mit Sorge schauen Experten nach Großbritannien und in die USA. Foto: dpa-Zentralbild

Mit Sorge werden die Pläne der Briten und der USA gesehen, Unternehmenssteuern möglicherweise zu senken. Damit keine Jobs abwandern, könnten Firmen entlastet werden.

Berlin - Hohe finanzielle Rücklagen, über die der deutsche Staat mit dem nun festgestellten Haushaltsüberschuss in Rekordhöhe verfügt, werden gelegentlich als „Kriegskasse“ bezeichnet. Nun darf natürlich gehofft werden, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) damit nur die Modernisierung der Bundeswehr und keine neuen Militäreinsätze finanzieren muss. Auf eine Art Wirtschaftskrieg meint sich sein Ministerium allerdings sehr wohl einstellen zu müssen.

Sorgen bereiten konkret Großbritannien und die Vereinigten Staaten. London etwa droht kurz vor den bald beginnenden Brexit-Verhandlungen mehr oder weniger offen damit, direkt vor der Haustür der Europäischen Union zur Steueroase mit Niedrigst-abgaben für Unternehmen zu werden, falls Berlin und Brüssel dem künftigen Nicht-EU-Mitglied keinen Marktzugang gewähren. In Washington wird erwartet, dass Präsident Donald Trump in den nächsten Tagen beginnen wird, sein Wahlkampfversprechen niedrigerer Unternehmenssteuern in die Tat umzusetzen. In beiden Fällen könnte das bedeuten, dass nicht nur ausgewanderte Firmen zurückkehren – Ministeuern könnten auch deutsche Unternehmen anlocken.

Konkrete Pläne gibt es keine

Spätestens dann würde das Bundesfinanzministerium wohl selbst eine steuerliche Entlastung in Angriff nehmen, um den Standort Deutschland attraktiv zu halten – selbst wenn es einen globalen Steuerwettlauf nach unten in Gang setzen könnte. „Internationale Kooperation in Steuer- und Finanzfragen ist für uns das bevorzugte Modell“, sagte am Donnerstag auf Anfrage ein Ministeriumssprecher. „Wir wollen keinen Rückfall in die Zeit des Standortwettbewerbs, werden die weitere Entwicklung in Großbritannien und den USA aber genau verfolgen.“

Konkrete Pläne gibt es keine, eben nur Ministeriumsmitarbeiter, die diverse Negativszenarien durchspielen. „Es ginge dabei weniger um eine Senkung der Unternehmenssteuersätze, sondern um Maßnahmen, wie man einen steuerlichen Angriff abwehren kann“, sagt der Bundestagsabgeordnete Olav Gutting, der für die CDU im Finanzausschuss sitzt. Besonders interessiert schaut sich Schäubles Haus das Modell von Paul Ryan an, dem Sprecher des republikanischen Repräsentantenhauses, das zuletzt von Trumps Pressemann Sean Spicer auffällig gelobt wurde.

Angst vor einer US-Steuerrevolution

Ryan und wohl auch Trump wollen nicht nur die Körperschaftsteuersätze senken und im Gegenzug deren Basis verbreitern, sondern das gesamte System „revolutionieren“, wie Clemens Fuest, der Chef des Münchner Ifo-Instituts kürzlich schrieb. Mit der „destination-based-cash-flow-tax“ werden nicht buchhalterische Unternehmensgewinne besteuert, sondern die reinen Geldbewegungen in den USA – mit dramatischen Folgen für die deutsche Wirtschaft: Die Herstellungskosten in der Bundesrepublik etwa könnten bei einem in die Staaten exportierten Mercedes nicht mehr steuermindernd beim US-Fiskus geltend gemacht werden. Dies käme de facto einem Strafzoll gleich. Anders herum könnten US-Unternehmen wie Apple, Google oder Starbucks auch nicht mehr ihre Gewinne in Europa künstlich kleinrechnen, sondern müssten ebenfalls dort Steuern bezahlen, wo sie ihre Produkte verkaufen. Wegen des hohen Leistungsbilanzüberschusses der Bundesrepublik gegenüber den USA hätte Schäuble selbst dann das Nachsehen, wenn er ebenfalls das Ortsprinzip in Deutschland einführen würde.

Im Gegensatz zum unverhohlenen britischen Erpressungsversuch ist das offenbar favorisierte US-Modell für viele Experten keineswegs so leicht als feindlicher Akt abzustempeln. „Trumps mögliches Steuermodell birgt die Gefahr, protektionistische Bestrebungen zu verstärken“, sagt etwa der Grünen-Finanzexperte im Europaparlament, Sven Giegold. „Es ist aber positiv zu sehen, dass damit der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung deutlich vorankäme.“ Ifo-Chef Fuest sieht das ganz ähnlich.

Schäubles „Kriegskasse“ mag nun gefüllt sein. Die Folgen einer möglichen US-Steuerrevolution könnten sie aber sehr schnell klein wirken lassen.