Frage vor dem Landgericht: Wie viel Mehl braucht man für eine Pizza? Foto: dpa

Ein Unternehmer steht vor dem Stuttgarter Landgericht, weil er mit seinem Pizza-Service zwei Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben soll.

Stuttgart - Pizzateig, die Zweite. Im Februar vorigen Jahres hatten die Richter der 11. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart den Chef einer Pizza-Lieferkette zu immerhin viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die Kammer hatte es als erwiesen angesehen, dass der Geschäftsmann rund zwei Millionen Euro an Steuern hinterzogen habe. Anke Stiefel-Bechdolf, die Verteidigerin des Mannes, focht das Urteil vor dem Bundesgerichtshof an – und obsiegte. Jetzt muss sich die 20. Strafkammer erneut mit dem heute 47-Jährigen, mit Mehl, Pizzaböden, Mischungsverhältnissen und Zahlenkolonnen beschäftigen.

Der italienische Unternehmer, der 18 Filialen seines Pizzaservices in Kirchheim am Neckar (Kreis Ludwigsburg), in Stuttgart-Nord und im Raum Heilbronn betreibt, beteuert wie schon im ersten Prozess seine Unschuld. Er sei ein angesehener und geschätzter Geschäftsmann gewesen. „Und jetzt werde ich zum Verbrecher gemacht.“ Mehr als sieben Monate saß der 47-jährige gebürtige Sizilianer in U-Haft.

Die Staatsanwältin wirft dem Selfmade-Unternehmer, der neben dem Pizzageschäft noch zwei Bierlokale und einen Cateringservice betreibt, Umsatz-, Gewerbe- und Einkommenssteuerhinterziehung vor. Zwischen 2002 und 2006 soll er seine Umsätze systematisch heruntergerechnet und so das Finanzamt Bietigheim-Bissingen um zwei Millionen Euro geprellt haben. Grundlage der Berechnungen ist vor allem die Menge an Mehl, die der Pizza-Mann in der veranschlagten Zeit gekauft hat. Mit dieser Menge müsse er viel mehr Pizzen verkauft haben als angegeben. Schließlich gibt der Angeklagte den Pizzabäckern in seinen Filialen in einem Handbuch vor, wie viel Mehl, Wasser und Hefe für einen Pizzaboden zu verwenden ist.

Der Angeklagte macht klar, dass die Steuerfahnder wenig bis nichts von Pizzen verstünden. Es komme immer auch auf die Raumtemperatur, die Wassertemperatur und die Menge an Salz an. Auch habe er mehrere tausend Kilo Mehl für einen Geschäftsfreund gekauft, die nicht in den Büchern auftauchten. Der 47-Jährige führt noch weitere Gründe dafür an, warum sich Finanzamt und Staatsanwaltschaft verrechnet hätten.

Wenig Begeisterung brachte der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) für die Rechenkünste der Richter im ersten Prozess auf. Das Rechenwerk im schriftlichen Urteil sei „nicht nachvollziehbar“, das Urteil werde den Kriterien für eine Steuerberechnung nicht gerecht. Deshalb hat der BGH das Urteil aufgehoben und den Fall ans Landgericht zurückverwiesen. Vorsitzender Richter Hans-Jürgen Wenzler hat nun mit seiner 20. Wirtschaftsstrafkammer das Vergnügen, tief in den Herstellungsprozess von Pizzaböden und in die Buchhaltung des Angeklagten abzutauchen.