„Sorgfältig abwägen“, will Finanzministerin Edith Sitzmann, wenn es um die Verwendung der 1,25 Milliarden Euro geht, die Baden-Württemberg mehr einnehmen wird, als noch in der Steuerschätzung vom Mai erwartet. Foto: dpa

Noch mehr Einnahmen. Nach der jüngsten Steuerschätzung steht die Landesregierung vor der Qual der Wahl, wie sie das Geld verwenden soll. Aber nur eine Wahl ist die richtige, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart. - Wo sie recht hat, hat Finanzministerin Edith Sitzmann recht: Angesichts eines 1,25-Milliarden-Euro-Plus gegenüber der Steuerschätzung vom Mai muss die Landesregierung sorgfältig abwägen, welche Schwerpunkte sie damit setzen will. Den klügsten Vorschlag hat sie schon gehört: aus der Opposition. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke dringt darauf, das Geld für die Schuldentilgung einzusetzen. Wo er recht hat, hat er recht.

Warum? Weil die Schulden von gestern morgen die politische Handlungsfähigkeit einschränken. Sicher, viel spricht dafür, dass die Phase niedriger Zinsen noch lange anhalten wird. Aber das ist doch kein Grund, sich zurückzulehnen. Die Hochrisiko-Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die wichtigste Ursache der niedrigen Zinsen, hat schließlich nur einen überragenden Pluspunkt: Sie verschafft der Politik Zeit, strukturelle Treiber neuer Schulden zu beseitigen und idealerweise Schulden abzubauen.

Baden-Württemberg macht alles falsch, wenn es diese Zeit ungenutzt lässt. Schließlich tickt gerade hier mit den Pensionslasten eine finanzielle Zeitbombe. Konsequenter Schuldenabbau könnte auch dazu beitragen, ihr Sprengpotenzial einzudämmen. Erklärungen der Regierung, warum Schulden, die für die Infrastruktur eingesetzt werden, keine echten Schulden seien, die geplanten zusätzlichen Stellen in der Landesverwaltung – das alles weist jedoch in die andere Richtung: dass die unerwartet reichlich sprudelnden Einnahmen das süße Gift der niedrigen Schuldenzinsen in seiner Wirkung noch verstärken, dass eben nicht gespart, sondern der Schwerpunkt auf zusätzliche Ausgaben gelegt wird. Ausgaben, die auch dann noch zu Buche schlagen, wenn die Einmaleffekte des fetten Jahres 2016 längst verpufft sein werden.

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