Ungewisse Zukunft: Mitarbeiter vor dem GE-Standort in Stuttgart Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der US-Konzern General Electric (GE), der jüngst die Energiesparte von Alstom übernommen hat, streicht europaweit über 6800 Arbeitsplätze. Baden-Württemberg trifft es besonders hart. Lässt sich der Kahlschlag noch verhindern?

Stuttgart/Mannheim - Die Stimmung vor dem Standort von GE Power im Stuttgarter Stadtteil Untertürkheim ist gedrückt an diesem grauen Mittwochmorgen. Ab und an ist verhaltenes Lachen zu hören, zwischendurch Buhrufe und Pfiffe. Fast die komplette Belegschaft hat sich spontan versammelt – kurz zuvor hatte die Geschäftsleitung über die geplanten Kürzungen informiert: Nach der Übernahme der Energiesparte des französischen Konkurrenten Alstom will der Industriekonzern europaweit 6800 Stellen streichen. Stuttgart trifft es besonders hart: Rund 250 der 380 Stellen sollen hier wegfallen, wie Alf Henryk Wulf, Vorstandsvorsitzender der Alstom Deutschland AG, unserer Zeitung mitteilte.

Auf der Betriebsversammlung am Mittwochmorgen schlug die Nachricht bei den Stuttgarter Mitarbeitern wie eine Bombe ein. „Der Unmut bei den Mitarbeitern war noch nie so groß“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Bruno Markel. „Keiner weiß im Moment genau, wie es weitergeht.“ Doch viele Mitarbeiter befürchten das Schlimmste.

Der Standort, an dem GE Boiler für Dampfturbinen produziert, hat bereits in den vergangenen Jahren fast die Hälfte der Arbeitnehmer verloren. „Stuttgart wird in zwei Jahren geschlossen, das ist für mich klar“, sagt ein Mitarbeiter aus dem Entwicklungsbereich. „Ich befürchte, dass das Management entschieden hat, dass es mit dem Kraftwerkswesen in Deutschland nicht mehr weitergeht. Deswegen werden keine neuen Geschäftsfelder erschlossen, sondern wird das Know-how nach China verlagert“, so der 60-Jährige.

Ehemalige Alstom-Standorte sollen verkleinert oder geschlossen werden

Wulfs Aussagen dazu geben kaum Anlass zu Hoffnung: „Der Bau von Dampfturbinen hat in Deutschland einen schweren Stand – die Stromerzeugung aus fossilen Trägern wird mittelfristig zurückgehen“, sagt er. „Deshalb müssen wir die Konsequenzen ziehen.“ Es sei „sinnlos, einen Kampf gegen Windmühlen zu führen“.

Die Beschäftigten zumindest stellen sich auf einen Kampf ein – das versichert die Gewerkschaft IG Metall. Auch die Mitarbeiter der ehemaligen Alstom-Standorte in Wiesbaden, Bexbach (Saarland) und Mannheim sind am Mittwoch auf die Straße gegangen. Denn diese Standorte sollen verkleinert oder ganz geschlossen werden. Man wolle die Geschäfte „an das gegenwärtige Marktumfeld der europäischen Energieerzeugung“ anpassen, heißt es in einer Pressemitteilung von GE. Deutschlandweit würden demnach rund 1700 der rund 11 000 Arbeitsplätze wegfallen.

Am härtesten trifft es den größten Standort Mannheim, wo die Turbinenfertigung geschlossen werden soll. Rund 1050 Mitarbeiter sollen gehen – auch wenn dies nur „Schätzzahlen“ seien, wie Wulf betont. Neben rund 500 Beschäftigten in der Fertigung beträfen die Sparpläne über 500 Mitarbeiter in Service und Verwaltung. „Das ist ein heftiger Schock“, sagt Benedikt Hummel von der IG Metall Mannheim. „In diesem Ausmaß haben wir das nicht erwartet.“

Gewerkschaft will gegen die Sparpläne vorgehen

Am frühen Nachmittag ziehen die Mitarbeiter durch die Mannheimer Innenstadt. Bei der Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz kritisiert die Gewerkschaft General Electric scharf. Die Streichungspläne seien „ein Schlag ins Gesicht für alle Beschäftigten“, sagt die Konzernbetriebsratsvorsitzende Elisabeth Möller. Wie ihre Kollegen fordert auch sie, die Fertigung in Mannheim für neue Produkte im Bereich der erneuerbaren Energien oder im Rückbau von Atomkraftwerken zu nutzen.

Wulf signalisiert im Gespräch mit unserer Zeitung Entgegenkommen. „Wir arbeiten aktiv an alternativen Vorschlägen“, sagt er. „Wir wollen jeden sinnvollen Vorschlag prüfen.“ Doch bei der IG Metall ist man skeptisch. Bisher habe das Management von den Vorschlägen der Mitarbeiter nichts wissen wollen, sagt Hummel. In Stuttgart sieht der Betriebsrat dies ähnlich. Deshalb behalte man sich alle Mittel vor, gegen die Sparpläne vorzugehen – „auch tarifpolitisch und juristisch“, so Gewerkschaftsmann Hummel. „Der Kampf geht jetzt erst richtig los.“

Hintergrund: General Electric

Der Konzern: Der US-Industriekonzern General Electric (GE) ist einer der größten Mischkonzerne der Welt. In Deutschland wirtschaftet GE vor allem in den Bereichen Energie, Öl und Gas, Energiemanagement, Finanzierung und Transport. An 50 Standorten sind bundesweit mehr als 11 000 Mitarbeiter beschäftigt.

Die Übernahme: Im vergangenen Jahr hat der französische Elektronikkonzern Alstom seine Energiesparte für 9,7 Milliarden Euro an General Electric verkauft. Der deutsche Alstom-Konzernbetriebsrat hatte bereits während der Verkaufsverhandlungen vor einem Stellenabbau gewarnt.

Der Umbau: Europaweit will GE wohl bis zu 6800 Stellen streichen. Betroffen sind vor allem die ehemaligen Alstom-Standorte Mannheim, Stuttgart, Bexbach im Saarland und Wiesbaden. Begründet werden die Stelleneinsparungen damit, dass die Stromerzeugung mit Gas- und Dampfturbinen – dem zentralen Geschäftsbereich – in den vergangenen Jahren signifikant zurückgegangen sei. (hsp/dag/dpa)