Die Holzernte ist ein gefährliches Geschäft Foto: Gottfried Stoppel

Mit einem neuen Arbeitssicherheitskonzept reagiert das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises auf die landesweit besorgniserregend gestiegenen Unfallzahlen vor allem bei der Holzernte.

Urbach - Mit einem schrillen Kreischen setzt die Motorsäge zum finalen Schnitt an, es knackt, und der Baumstamm entlädt explosionsartig seine Spannung. Ein in unmittelbarer Nähe des gut sechs Meter langen Gehölzes platzierter Fußball saust samt seiner Sandsackstütze in das Dickicht, als hätten Ronaldo und Messi gemeinsam ihre Füße im Spiel gehabt. „Wäre der Kollege auf dieser Seite gestanden, so wäre er jetzt tot“, resümiert Günther Schaal trocken. Zumindest der Brustkorb und die Leber des Waldarbeiters wären seiner Ansicht nach vollständig zerschmettert worden. Der Ausbildungsleiter am Stützpunkt des Staatlichen Forstes im Wald bei Urbach ist ein erfahrener Mann. Demonstrationen wie diese gehören bei ihm aus gutem Grund zum Lehrprogramm seiner Auszubildenden.

„Die Risiken bei der Forstarbeit werden leider mitunter unterschätzt“, sagt sein Chef, der Stützpunktleiter Volker Speidel. Dabei seien Verletzungen durch Motorsägen, Stürze, herabfallende Äste oder eben zurückfedernde Äste keine Seltenheit. Zwei Drittel aller Unfälle von Waldarbeitern ereigneten sich bei der Holzernte, sagt der stellvertretende Leiter des Geschäftsbereichs Forst im Landratsamt, Hermann Riebel. Im Schnitt würden pro Jahr sieben Waldarbeiter im Bereich des Staatswaldes im Rems-Murr-Kreis verletzt. Bei zurzeit knapp 40 Beschäftigten in diesem Bereich ist das eine Quote von 15 Prozent. Hinzu kämen eher banale, aber bisweilen auch folgenschwere Dinge wie Zeckenbisse. „Der Job des Waldarbeiters“, sagt Volker Speidel, „ist einer der schönsten, aber auch einer der gefährlichsten überhaupt.“

Letzteres hat auch das seit zehn Jahren für den Staatlichen Forst im Rems-Murr-Kreis zuständige Landratsamt erkannt. Die Behörde will den – nicht nur im Kreis, sondern auch landesweit – Besorgnis erregend angestiegenen Unfallzahlen mit einem neuen Arbeitssicherheitskonzept begegnen. Der Ausgangspunkt für das Aktionsprogramm ist eine im Januar unterzeichnete Grundsatzvereinbarung zwischen dem Landkreis und dem Landesbetrieb Forst-BW, in welcher der Arbeits- und Gesundheitsschutz als Betriebsziele fest verankert worden sind.

Das Aktionsprogramm umfasst unter anderem verpflichtende Regeln für die Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte, aber auch jedes einzelnen Forstwirts. Neu und ein wesentlicher Bestandteil des des Konzepts ist darüber hinaus die Einführung eines sogenannten Sicherheitscoachs, eines erfahrenen Forstwirtschaftsmeisters, der die Waldarbeiter dreimal im Jahr für mehrere Tage begleitet und in der jeweiligen Gruppe auch mitarbeitet, um riskante Arbeitsroutinen zu erkennen. Noch in der Konzeptionsphase ist zudem die Etablierung einer professionell angeleiteten regelmäßigen Ausgleichsgymnastik, durch welche die körperliche Fitness und die Beweglichkeit der Waldarbeiter gestärkt werden soll.

„Wir haben die Sicherheit unserer Waldarbeiter jetzt noch mehr denn je auf unserer Agenda“, betonte der Landrat Johannes Fuchs, der sich bei der Gefahrensimulation im Urbacher Forststützpunkt am Mittwoch ein eigenes Bild machte. Als privater Kleinwaldbesitzer und nach einem Kettensägenkurs am Forststützpunkt wisse er selbst, was für die Arbeit im Wald gelten müsse: „Die Sorgfalt und der Respekt vor den Risiken sind das oberste Gebot.“