Walter Schultheiß und Trudel Wulle in Hochform beim StN-Stammtisch Foto: Leif Piechowski

An Stammtischen wird nicht selten geschimpft. Beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch der Stuttgarter Nachrichten wird vor allem gelacht – diesmal dank des blendend aufgelegten Schauspielerehepaars Walter Schultheiß und Trudel Wulle sowie des Sängers Wolfgang Seljé.

An Stammtischen wird nicht selten geschimpft. Beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch der Stuttgarter Nachrichten wird vor allem gelacht – diesmal dank des blendend aufgelegten Schauspielerehepaars Walter Schultheiß und Trudel Wulle sowie des Sängers Wolfgang Seljé.

Stuttgart - Es gibt Menschen, die ihre Aufgabe darin sehen, anderen Freude zu machen. Zu ihnen gehört das Schauspielerehepaar Walter Schultheiß und Trudel Wulle: „Die größte Freude für uns ist es, wenn man die Leute zwei Stunden lang von ihren Sorgen abhalten kann und sie nach der Vorstellung fröhlich nach Hause gehen.“

Was den beiden großen schwäbischen Schauspielern bei Hunderten von Bühnenauftritten glückte, gelingt ihnen auch im Kreis von 40 Leserinnen und Lesern beim sechsten „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch am Donnerstagabend im Zeppelinstüble des Hotels Steigenberger Graf Zeppelin. Spielerisch leicht bringen sie die Leute zum Lachen. Und das in einem Alter, das man durchaus als hoch bezeichnen kann. Schultheiß feierte am 25. Mai seinen 90. Geburtstag (mit einer liebevollen Matinee in der Stuttgarter Komödie im Marquardt), Trudel Wulle ist eineinhalb Jahre jünger. Seit 64 Jahren sind sie verheiratet, seit mehr als 40 Jahren wohnen sie in Wildberg im Nagoldtal. Eine ewige Liebe, die auf der Bühne – als Hochzeitspaar im „Weißen Rössl“ – begann.

Schultheiß’ Liebeserklärung kleidet er in eine für ihn charakteristische Wortakrobatik: „Es ist immer wunderbar, wenn man mit einer Schauspielerin verheiratet ist, die einem kein Theater macht“, sagt er trocken. Er könne seine Frau nur jedem empfehlen. Als das Gelächter abklingt, schickt er hinterher: „Aber wir bleiben beieinander, da weiß man, was man hat.“ „Genau!“, sagt Trudel Wulle. Und das Publikum spürt: Da greifen zwei Leben ineinander, sind miteinander verwoben, verflochten, verbunden. Der nächste Satz sprüht schon wieder vor Wortwitz: „Manche Männer würden sich viel Geld sparen, wenn sie ihre zweite Frau zuerst heiraten würden“, sagt Schultheiß. Die Stammtisch-Besucher prusten vor Lachen.

Es folgt ein bühnenreifer Dialog: „Ich hab’ ihn noch nie abgehört“, sagt Trudel Wulle, als es ums Auswendiglernen von Texten geht. „Nur wenn ich spät heimkomme“, grummelt Schultheiß unter Gejohle. Es ist wie beim Scrabble-Spielen. Der eine legt einen Buchstaben, der andere vervollständigt das Wort. Fast jedes Stichwort entwickeln die beiden zur Pointe weiter.

Besonders Walter Schultheiß ist darin groß. Irgendwie kommt die Rede auf Berlin. Eine Vorlage, die sich der schwäbische Mime nicht entgehen lässt; er erinnert an den ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, der sich bekanntlich über die vielen Schwaben in der Bundeshauptstadt mokierte. „Jetzt muss ich, wenn ich in Berlin ins Hotel komme, sagen: ‚Können Sie mich morgen um 7 Uhr schrippen‘, denn wecken mögen Sie hier ja nicht.“ Wieder tobt der Stammtisch. Wenn’s ihm danach ist, liefert Schultheiß Kalauer am Fließband.

Das ist aber nur eines seiner vielen Talente und täuscht nicht über die große Ernsthaftigkeit hinweg, mit der er seine Schauspielkunst seit mehr als 60 Jahren betreibt – zuletzt im vielbeachteten Kinofilm „Global Player – Wo wir sind isch vorne“, in dem er einen Firmenpatriarchen auf der Alb spielt, der sein Lebenswerk, eine Textilfabrik, vor dem Zugriff der Chinesen zu retten versucht. Seitdem ist er noch mehr gefragt: „Solang der Geist noch mitmacht, mach‘ ich das, und wenn der Geist nicht mehr mitmacht, geh‘ ich in die Politik.“

Auch ein neues Filmangebot liegt auf dem Tisch. Doch Schultheiß will erstmal das Drehbuch prüfen. „Es darf nicht sein, dass der Schwabe als Dackel dasteht.“ Den Dialekt solle man nicht ins Lächerliche ziehen. Auch darin ist er sich mit seiner Frau einig: „Das lieben wir nicht, wenn der Schwabe als Depp der Nation dargestellt wird.“

„Was bedeutet die Mundart für Sie?“, fragt Stammtisch-Moderator Tom Hörner. „Im Dialekt kann man sich persönlicher ausdrücken“, antworten die beiden. Dabei war und ist Schultheiß, der auf der Bühne und vor der Kamera häufig den Typ des schwäbischen Bruddlers verkörpert, nicht auf das Schwäbische festgelegt. Es ergab sich so, weil nach dem Krieg Dialektsprecher im Radio gesucht und gefragt waren.

Schultheiß kann aber auch anders: Er erzählt von einem Engagement mit Schauspielerkollege Werner Veidt Ende der vierziger Jahre, bei dem er einen Rheinländer spielte. Die Kritiker beglückwünschten den Regisseur, dass es diesem gelungen sei, „zwei echte rheinische Typen zu engagieren“.

Ein großes Sprachtalent sei ihr Mann, sagt Trudel Wulle. Und wie zum Beleg erzählt Walter Schultheiß von einer Begebenheit während der Dreharbeiten zum Film „Global Player“. In den Pausen hörte er zu, wie sich die chinesischen Schauspieler unterhielten. „Dann habe ich mich dazugestellt und auch was gesagt.“ Was dann folgt, Schultheiß’ chinesischer Singsang, lässt sich schriftlich nicht wiedergeben. Es klingt jedoch sehr überzeugend. „Auf einmal guckt mich die Dolmetscherin an und sagt: ,Das ist aber mehr Kanton-Chinesisch.‘“ Selten hat man die Besucher des Stammtisches, an dem stets viel gelacht wird, so lachen gehört.

Die gute Unterhaltung setzt sich nahtlos im Auftritt des musikalischen Gasts des Abends fort – des gewandten Sängers, Entertainers und Moderators Wolfgang Seljé aus Filderstadt, der mit Smoking und Charme den Schwaben von Welt verkörpert. Eine Spezialität des Baritons sind Frank-Sinatra-Songs in Mundart. Aus „Strangers In The Night“ wird „Schengat Se mir Zeit“. Originell sind auch seine „GOODsle“, kurze Musikstücke, in denen er mit der klanglichen Verwandtschaft des Schwäbischen mit anderen Sprachen spielt. „Let It Be“ von den Beatles heißt bei Seljé „’s dät i nie“. Applaus gibt’s reichlich.

Ob Schultheiß ebenfalls gerne singe, wird dieser gefragt. Seine Antwort: „Nein, ich habe meine Stimme bei der Wahl abgegeben.“ Wieder einmal bringt er die Menschen zum Lachen, verschenkt er Freude. Im Gästebuch steht am Ende der Satz: „Wo wir sind isch vorne – Walter Schultheiß und Trudel Wulle.“ Das kann man nur dick unterstreichen.