Der Hausblock an der Nadlerstraße war schon einmal im Angebot. Damals sollte er noch 9,2 Millionen Euro kosten. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Gegen ein Immobiliengeschäft der Stadt hinter dem Rathaus sprechen nicht nur architektonische Gründe. Auch am wirtschaftlichen Wert des Hausverkaufs für einen Hotelbau herrschen inzwischen Zweifel.

S-Mitte - Bei der ersten Beratung waren die Geister noch milde gestimmt. Die Genehmigung eines Hotels in einem städtischen Bau direkt hinter dem Rathaus schien Formsache. 6,6 Millionen Euro will der Kämmerer mit dem Verkauf des Hauses an der Nadlerstraße einnehmen, das ausgebeint und komplett umgebaut werden soll. Hinter verschlossenen Türen, wie bei städtischen Immobiliengeschäften üblich, billigten bis auf SÖS Linke Plus alle Fraktionen des Gemeinderats den Wunsch. Vier Wochen später sollte die endgültige Entscheidung fallen.

Bezirksbeirat Mitte habe den Grünen die Augen geöffnet

Die wollen inzwischen neben der Triple-Fraktion auch die Grünen verhindern – auf unabsehbare Zeit. Die Argumente der Öko-Fraktion für eine langfristige Vertagung sind vorwiegend grundsätzliche. Dafür, das Vorhaben nochmals eingehender zu diskutieren, sprechen aber durchaus auch finanzielle Gründe.

Ursprünglich hatten auch die Grünen keine Einwände, „aber der Bezirksbeirat Mitte hat uns die Augen geöffnet“, sagt Anna Deparnay-Grunenberg, die Fraktionsvorsitzende. Die unterste politische Ebene hatte eine Liste mit kritischen Fragen formuliert: Das Haus prägt das Stadtbild. Die Bürger sollten deshalb bei der Architektur mitsprechen dürfen. Ist der Preis angemessen? In dem Bau arbeiten die Beschäftigten des Sportamts und des städtischen Bäderbetriebs. Wo sollen sie unterkommen?

Insgesamt „sind es viele Fragen, auf die es keine klare Antwort gibt“, sagt Deparnay-Grunenberg. Bei der letzten darf sie auf Unterstützung der SPD hoffen. Die hat am Freitag gefordert, die Unterbringung der Rathaus-Bediensteten zu klären, bevor die Entscheidung fällt. Laut städtischem Personalrat sei die Antwort „keineswegs so klar und prima, wie es uns gesagt wurde“, sagt der SPD-Fraktionschef Martin Körner. Zu den anderen Kritikpunkten „haben wir uns noch nicht positioniert“.

Steigende Immobileinpreise und der wirtschaftliche Wert

Inzwischen herrschen auch Zweifel am wirtschaftlichen Wert des Geschäfts. „Ein Hotel an dieser Stelle ist wahrscheinlich nicht verkehrt“, sagt Deparnay-Grunenberg, „aber vielleicht zahlt jemand anders mehr.“ Der Gedanke ist nicht abwegig. Der Bau war vor ein paar Jahren schon einmal im Angebot. Damals wollte die Projektgesellschaft Drees und Sommer ihn vermarkten – nicht für 6,6, für 9,2 Millionen Euro. Seitdem kannten die Immobilienpreise nur eine Richtung: aufwärts. Einiges spricht dafür, dass dieser Trend sich fortsetzt – gerade an der Nadlerstraße.

In der städtischen Bodenrichtwertkarte ist das Quartier zwischen den Bausünden Rathaus- und Kaufhausgarage vergleichsweise niedrig bewertet: mit 3600 Euro pro Quadratmeter. In unmittelbarer Nachbarschaft steigen die Preise auf 6000, wenige Blocks entfernt auf 11 000 Euro. Das Quartier rund ums Rathaus ist im Umbruch. Die Rathausgarage soll einem Neubau weichen, in dem statt Autos Ämter und Läden untergebracht werden. Die Verschönerung der Umgebung gehört zum Vorhaben.

Der Umbau des Marktplatzes ist seit 2005 geplant. Die FDP hat am Freitag beantragt, die Pläne endlich zu verwirklichen und das Gebiet ums Rathaus einzubeziehen. Das Ansinnen der Grünen „ist im Prinzip ein vernünftiger Ansatz“, sagt der Liberale Matthias Oechsner, „aber ich fürchte, das kriegt man nur langfristig hin, wir haben zu viele Baustellen in der Stadt.“ Auch Oechsner will in jedem Fall nochmals über die Unterbringung der städtischen Mitarbeiter sprechen.

Finanziell steht auf der Gegenseite, dass der Bau saniert werden muss, aber detaillierte Zahlen für eine Abwägung „haben wir nicht“, sagt Deparnay-Grunenberg. Allein deswegen sei eine eingehende Diskussion nötig. Für die spricht auch die Praxis, über Neubauten an prägender Stelle erst nach einem Architektenwettbewerb zu entscheiden. Einen solchen hat der Gemeinderat jüngst für ein ebenfalls städtisches Haus an der Eberhardstraße ausgelobt, das nur wenige Schritte entfernt steht. Der schmale Bau zwischen Tagblattturm und ehemaliger Teppichgalerie misst allenfalls ein Viertel der Grundfläche des Blocks an der Nadlerstraße.