Spielplätze, eine Rad-Garage und eine Fassade aus Blendwerk verteuern den Neubau. Foto: z

Fahrräder in der Tiefgarage, Kinder auf dem Dach – Sonderwünsche plagen den Architekten des Neubaus, der das einstige Haus der Teppichgalerie ersetzen soll.

S-Mitte - Architektonisch hat dieser Neubau ohnehin seine Tücken. Seine Fassade muss aussehen wie der Altbau, der abgerissen wird, um ihn zu ermöglichen. So hat es die Stadt dem Architekten Stefan Willwersch auferlegt. Der Altbau ist das Haus an der Eberhardstraße, das so gut wie jeder Stuttgarter als ehemaligen Sitz der Teppichgalerie kennt. Die von vorn sichtbare Fassade darf nicht eingerissen, sondern muss sorgsam abgetragen werden. Gutachter werden bewerten, welche Steine alt genug sind, um erhalten zu bleiben. Sie werden später beim Aufbau der neuen Front wiederverwertet. Die wird, Blendwerk gleich, vor die eigentliche Fassade gesetzt. „Bauen mit Applikationen“ nennt Stefan Willwersch das Vorgehen.

Selbstredend verlängert dieser städtische Sonderwunsch die Abbruchzeit und erhöht die Kosten. „Das ist ein komplexer Vorgang“, sagt Willwersch, den er mit Humor beschreibt, aber auch wirtschaftlich berechnet. Der Architekt hat nicht nur das Haus entworfen, er ist gleichzeitig Investor. In der „W2 Development GmbH“ steht das eine W für Willwersch. „Wir haben das Gelände gekauft und entwickeln das Projekt mit einer Investorengemeinschaft in München“, sagt er. Die hätte selbstverständlich gern auf den Zusatzaufwand verzichtet. Aber auch, dass der größte Teil der Fassade eigentlich kein erhaltenswertes Alter hat, verhinderte den Sonderwunsch nicht. Das Haus wurde im Krieg zerbombt, seine Front beim Wiederaufbau lediglich mit Putz dem Original nachempfunden.

Vier Fahrradständer auf einem Autoparkplatz

In der Kalkulation stehen noch weitere Posten, die Bauherren bisher unbekannt waren. Im vergangenen November hat der Landtag die neue Landesbauordnung beschlossen. Seit 1. März gilt sie. Dass in ihr Abstellplätze für Fahrräder verbindlich vorgeschrieben sind, kommt dem Architekten sogar noch gelegen – weil im Gegenzug weniger Parkplätze gebaut werden müssen. Allerdings „sind die Plätze riesig“, sagt Willwersch. Radler werden ihre Gefährte recht kommod abstellen können. Wie kommod, mag am ehesten verdeutlichen, dass die Landesregierung einen Autoparkplatz mit vier Fahrradständern verrechnet. Wie lang und breit ein Rad zu sein hat, ist noch nicht endgültig festgeschrieben. Die Stadt rechnet einstweilen mit 80 Zentimeter auf 1,90 Meter.

Gemäß städtischer Bodenrichtwertkarte ist jeder Quadratmeter Grundstück an dieser Stelle 11 000 Euro wert. Nur entlang der Königstraße wird Baugrund noch teurer gehandelt. Zwar ist auch dieser Preis nur ein Hinweis – weil die Fahrräder wie die Autos in eine Tiefgarage rollen werden. Aber um Platz zu sparen, verhandelt der Architekt derzeit mit der Stadt über Möglichkeiten, die Räder übereinander zu parken. „Solche Systeme gibt es“, sagt er. Mit ihnen sind 166 Quadratmeter für Fahrräder vorgesehen, plus einer Zufahrtsrampe in die Tiefgarage.

Kinderspielplätze für Kinderlose

Keinen Verhandlungsspielraum gewährt das novellierte Baurecht bei einer weiteren Neuerung: Spielplätze. Im Haus an der Eberhardstraße sind neben Geschäften und Büros 38 Wohnungen geplant und damit – pflichtgemäß – auch Platz zum Toben. Um den auf einem zentralen Spielplatz unterzubringen, „fehlt uns die Fläche“, sagt Willwersch. Weshalb er den großen Spielplatz in vier kleine aufteilte. Zwei davon wird der Nachwuchs auf dem Dach finden.

Sofern es Nachwuchs gibt. Die Wohnungen sind Ein- und Zweizimmerappartments mit Grundflächen zwischen 35 und 55 Quadratmeter. „Unser Argument, dass dort nicht viele Kinder einziehen werden, war haltlos“, sagt Willwersch, „aber man kann da oben auch ein Bierchen zischen.“ Die Pflicht zum Spielplatzbau bemisst sich nach der Zahl der Wohneinheiten. Zumindest theoretisch müssen damit künftig auch die Erbauer von Altenheimen mit Schaukeln und Sandkästen kalkulieren.

An der Eberhardstraße werden die Plätze für Nachbarskinder unzugänglich sein, was bedauerlich für die städtischen Planer ist. Es würde sie dem selbst gesteckten Ziel näherbringen, für Kinder in der Stadtmitte mehr Platz zum Toben zu schaffen. Das ist in weiter Ferne. Von ihrem amtlich ermittelten Versorgungsgrad erreicht die Stadt lediglich ein Fünftel.