Kunstspaziergang: Das Kernstück des sogenannten Trogbrunnens an der Gerlinger Hauptstraße ist ein Stein aus dem Jahr 1748. Wo Wasser die Kugel bewegen soll, ist Sand in die Fugen geraten. Foto: factum/Bach

Albrecht Sellner hat zur Führung eingeladen, und viele sind gekommen. Anhand von Brunnen und Skulpturen auf öffentlichen Plätzen erzählte der ehemalige Bürgermeister Anekdoten aus der Gerlinger Historie.

Gerlingen - Ein Stadtrundgang zu den Kunstwerken Gerlingens kommt nicht ohne die vielen Brunnen aus, und eine Tour zu diesen Brunnen wiederum gerät sehr schnell zu einer Hommage an Fritz von Graevenitz. Der Bildhauer hat nicht nur lange in der Stadt gewirkt – genauer: auf der Solitude – er hat auch viele Bronzedenkmale und eben Brunnen hinterlassen. Der ehemalige Gerlinger Bürgermeister Albrecht Sellner hat am Samstag zu einem Kunstspaziergang eingeladen, zahlreiche Neugierige begleiteten ihn.

Drei Werke, die den Gerlingen-Besucher auf dem Weg in die Stadtmitte begleiten, gehören zu den bekanntesten von Fritz von Graevenitz: Der Gerlinger Löwe auf der Schillerhöhe (von 1953), die Gazelle auf halber Höhe und schließlich der Rösslebrunnen an der Hauptstraße 28 (beide aus dem Jahr 1957). Da alle Kunstwerke fußläufig vom Rathausplatz aus erreichbar sein sollten, wählte Sellner für seine Führung aus diesem Trio nur den Rösslebrunnen aus. Er stehe an einer Stelle, an der zuvor mehrere Nutzbrunnen standen und entlang einer Straße, in der immerzu Wasser bergab geflossen sei, erzählte Sellner.

Sandsteinpferd erinnert an einen Schimmel

„Hier waren zwei große Brunnen für die Weinbauern“, sagte er. Um die Zeit der Stadterhebung 1958 hätten sie dem Ausbau der Straße weichen müssen. Das Sandsteinpferd am Graevenitz-Brunnen erinnere an den Fuhrunternehmer Grob, der sein Fuhrwerk stets von einem Schimmel ziehen ließ. Weitere Werke des Bildhauers von Graevenitz befinden sich etwa auf dem Friedhof und an der Mauer der St. Petrus-Kirche. Mit der aus Muschelkalk gebildeten Statue einer jungen Frau habe sich der Künstler selbst kopiert.

„Das Original befindet sich auf dem Grab einer Prinzessin auf dem Stuttgarter Waldfriedhof“, sagte der Stadthistoriker: „Diese Darstellung von stiller Trauer und würdevollem Insichgekehrtsein entspricht dem Frauenbild des Künstlers.“ Darum habe er das Werk ein zweites Mal geschaffen.

Aus einer späteren Epoche stammt hingegen das Werk „Begegnung“ von Karl-Henning Seemann – eine Bronze, die sich heute vor dem Eingang zur Schwimmhalle befindet. „Die gehört da aber eigentlich gar nicht hin“, sagte Sellner. „Sie war ursprünglich für die Treppe der Gerlinger Bank vorgesehen.“ Als der Rathausplatz komplett umgebaut wurde, verschwand auch die Treppe vor dem Geldinstitut, damit hingen die beiden Bronzefiguren sozusagen in der Luft. Denn der Mann und die Frau begegnen sich auf Stufen. „Es war nicht leicht, einen neuen Platz für sie zu finden, und der Künstler war damals kurz davor, sich mit einer Klage dagegen zu wehren.“ Statt aus der Bank kommt die Dame nun also im Sauseschritt aus der Sauna.

Sand im Brunnengetriebe

Ein Brunnen, der Sellner persönlich sehr am Herzen liegt, weil er dabei war, als er in einem bayerischen Granitwerk in Auftrag gegeben wurde, ist zurzeit außer Funktion. Er steht vor dem Schulzentrum. Gebildet wird er von einer großen Steinkugel, die in einen noch größeren Findling eingepasst ist. „Die Kugel sollte sich im Wasserdruck drehen, aber das tut sie schon seit einiger Zeit nicht mehr“, bedauerte der ehemalige Rathauschef. Offenbar ist zu viel Sand zwischen Kugel und Findling geraten.

Auch ein Brunnen von Fritz Melis vor der katholischen Kirche St. Peter und Paul ist schon einmal zerstört worden. Es handelt sich um einen Granitbrunnen, um den drei Enten stehen. „Ganz so, wie sie früher auf den Gerlinger Straßen herumgewatschelt sind“, sagte Sellner.