Dorit Loos in ihrem Häuschen in Büsnau. Foto: Rüdiger Ott

Seit 15 Jahren sitzt Dorit Loos im Stuttgarter Gemeinderat. Dabei wurde sie eher durch Zufall gewählt. Ein Porträt.

Vaihingen - Sie meint, es waren Zufälle. Und Glück. Dorit Loos sitzt auf ihrem Sofa in ihrem Häuschen in Büsnau, ihr Mann drückt ihr zum Abschied einen Kuss auf den Mund, dann legt sie die Hände in den Schoss, lächelt, und beginnt zu erzählen. Über sich und ihr Leben. Die Wanduhr klackt bedächtig vor sich hin, ihre kleinen Schuhe drücken sich in den Teppich, und je mehr sie so redet, um so mehr verfestigt sich der Eindruck, dass es eben nicht nur Zufälle und Glück waren, die sie dorthin gebracht haben, wo sie jetzt sitzt. Manche Menschen ziehen ihr Schicksal an. Weil sie so sind, wie sie sind.

Dorit Loos ist ein Sonnenschein, der auch dann noch lächelt, wenn es schattet. Vor kurzem hat sie ihren 70. Geburtstag gefeiert. „Ich fühle mich gar nicht so“, sagt sie. „Vom Ruhestand merke ich jedenfalls nichts.“ Wie denn auch? An Herausforderungen und Arbeit hat es ihr nie gemangelt, und nach wie vor setzt sie sich spät abends an ihren Tisch, schreibt Briefe, organisiert Termine, erledigt Sachen eben. Für die CDU ist sie seit 15 Jahren im Gemeinderat. Sie ist Vorsitzende der Stuttgarter Seniorenunion. Bis vor Kurzem war sie Professorin, Vorsitzende des Hochschullehrerbunds, Chefredakteurin einer Zeitschrift.

Und da sagt sie doch glatt, dass Ellenbogen ausfahren nicht ihr Ding sei. Irgendwie sei halt immer alles so gekommen. „Und es ist ja auch nicht so, dass ich ohne Ehrgeiz bin“, sagt sie. Dann noch die glücklichen Zufälle. Davon gab es reichlich.

Mit 19 war sie auf Klassenfahrt. Zwei Stunden hatte sie für sich selbst, schlich sich in den Hörsaal einer Uni und lauschte einer Vorlesung. „Es ging über Geldpolitik“, sagt sie. Andere hätten sich geschüttelt. Für Dorit Loos war klar: „Das will ich studieren.“ Ein halbes Jahrhundert später, auf ihrem Büsnauer Sofa, schweift sie ab, über den Euro und die Wiedervereinigung bis zur Finanzkrise, erklärt die Welt in einfachen Worten, während die Augen funkeln. „Aber deswegen sind Sie ja gar nicht gekommen“, bremst sie sich ein.

Wäre sie damals in den Nachbarhörsaal abgebogen, wer weiß, was passiert wäre? Jedenfalls promovierte sie mit 26, mit 29 stolperte sie geradezu in eine Professur, weil ihr der Job in der Marketingabteilung eines Unternehmens nicht gefiel. Die Kollegen kämpften allzu sehr mit harten Bandagen. Das Angebot einer Fachhochschule kam da gerade recht. Und so ging es weiter. Auch ihr Ehemann sei so ein Zufall. Man muss es nur so sehen. „Ich habe Glück gehabt“, sagt sie. „Ich habe ihn beim Studium kennen gelernt. Und jetzt sind wir seit 46 Jahren verheiratet.“

„Ich bin eine rheinische Frohnatur“, sagt sie. Geboren in Düsseldorf, auf wahrlich ausreichend vielen Karnevalsumzügen mit Kamellen beworfen, liebt die in Stuttgart Gestrandete an den Schwaben die Ehrlichkeit, an den Menschen ihrer Heimat jene Herzlichkeit, die sie selbst ausstrahlt. Aber irgendwann müssen die Schatten doch auch in ihr Leben gekrochen sein. Ja, natürlich, meint sie, und wischt die Frage ansonsten mit einem Lächeln beiseite.

Statt über die wirklich schweren Momente spricht sie lieber über die kleinen Katastrophen. Eigentlich aus Gefälligkeit hatte sie sich vor 15 Jahren auf dem 60. Listenplatz, dem letzten, für die CDU zur Gemeinderatswahl aufstellen lassen. Ist doch eh aussichtslos, dachte sie sich. „Hätte ich gewusst, dass ich gewählt werde, hätte ich mir das noch mal überlegt“, sagt sie. Als das Telefon vor lauter Glückwunschbekundungen nicht mehr still stehen wollte, nahm ihr Mann sie in den Arm und sagte: „Wir schaffen das schon.“