Sigried Heller bei der Eisweinlese auf der Bergheide in Stuttgart. Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Traubenernte. Foto: Kovalenko

Das städtische Weingut holt mit 26 Helfern auf der Bergheide über der Prag eine erfolgreiche Ernte ein.

Stuttgart - Mit dem anhaltenden Frost startet die bisher späteste Eisweinlese, die es auf dem städtischen Weingut jemals gegeben hat. Doch nicht nur dieser Rekord wurde am 2. Februar aufgestellt: Der Zuckergehalt der Trauben ist mit 190 Oechsle so hoch wie nie zuvor in den Weingärten über dem Pragsattel.

Pünktlich um acht treffen die 26 ehrenamtlichen Helfer im Weinberg ein und bilden kleine Teams. Maschinen sucht man auf der Bergheide über dem Pragsattel vergeblich, die Eisweinlese ist noch immer reine Handarbeit. "Wir haben die Beeren noch nie bis in den Februar hinein an den Rebstöcken hängen lassen", berichtet Bernhard Nanz, der Leiter des städtischen Weinguts. Mit Rebscheren und Eimern in der Hand beginnen sie im Morgengrauen mit der Ernte der Beeren. "Normalerweise erntet man Eisweinbeeren in der Nacht oder sehr früh am Morgen" erklärt Nanz. Bei der letzten Lese im Jahr 2004 musste der Weinberg mit großen Strahlern beleuchtet werden.

"Nicht eine faule Traube an den Rebstöcken"

Minus zwölf Grad zeigt das Thermometer, während sich die ersten Eimer füllen: optimale Temperaturen für die besondere Weinlese. Denn die Trauben, die den Eiswein so besonders machen, müssen gefroren geerntet und gepresst werden. Ab einer anhaltenden Temperatur von unter minus sieben Grad kristallisieren drei Viertel des Wassers in den Früchten, wodurch die Beeren stark zusammenschrumpfen. Zurück bleiben Fruchtsäuren und Zuckerkonzentrat, die nur zehn Prozent der Erntemenge ausmachen und dem Eiswein später seinen süß-fruchtigen Geschmack geben. Der Zuckergehalt wird in Oechsle gemessen. Erst ab 130 Grad Oechsle verdient ein Wein das Prädikat Eiswein. Da die Messgeräte der Weingärtner nur Werte bis 130 Grad anzeigen, bestimmt ein Labor am Nachmittag den tatsächlichen Wert der Eisweinlese auf 190 Grad Oechsle. "Wir haben einen neuen Rekordwert erreicht: Unser höchster Wert lag bisher bei 150 Grad Oechsle", sagt Nanz.

Während die Helfer sich durch das zwölf Ar große Gebiet vorarbeiten, füllen sich die 300-Liter-Wannen, aus denen später die Beeren direkt in die Presse geschüttet werden soll. Jede der zwölf 100 Meter langen Reihen wird sorgsam abgeerntet. Von den Minusgraden lässt sich keiner der Erntenden abschrecken: "Ich habe heute extra meine Ski-Kleidung angezogen", sagt Regine Bollig lachend. Und auch Uschi Hilgerth trotzt voller Tatendrang der Eiseskälte: "Das ist meine erste Eisweinlese, denn Eiswein gibt es nicht so oft", verrät sie, "es ist einfach etwas Besonderes, daher freue ich mich mitmachen zu können". Geld bekommen die Traubenernter nicht, sie werden in Naturalien bezahlt: Wein.

Obwohl der beste Eiswein aus Rieslingtrauben gewonnen wird, hat man beim städtischen Weingut auf einen Spätburgunder gesetzt. "Der Riesling ist momentan etwas knapp, da die schlechte Blüte und der Frost in den vergangenen Jahren nur halbe Ernten zuließen", erzählt Nanz. Auch die Lage in 355 Metern Höhe habe eine Rolle bei der Wahl der Rebsorte gespielt, so Nanz weiter. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei am Ende jedoch die Widerstandsfähigkeit der Beeren gewesen. "Die blauen Trauben halten mit ihrer Lederhaut viel mehr aus als weiße Beeren", sagt Nanz, "daher haben wir nicht eine faule Traube an den Rebstöcken", berichtet er stolz.

Süßwein auf der ganzen Welt begehrt

Viele Weingüter aus der Region haben den Eisweinanbau abgebrochen. Die Weinmanufaktur Untertürkheim hat nichts hängen lassen: "Das war eine gute Entscheidung. Je länger man die Beeren hängen lässt, desto größere Probleme bekommt man mit der Traubengesundheit", erklärt Kellermeister Jürgen Off. Und auch der Fellbacher Weingärtner Gert Aldinger hat sich gegen eine Eisweinlese entschieden: "Wir haben vor 14 Tagen abgebrochen. Bei der Auslese vor drei Wochen haben wir 120 Grad Oechsle erreucht, das reicht uns.". Auf dem Weingut Wöhrwag in Untertürkheim war keine Eisweinlese geplant: "Es war schon im Herbst absehbar, dass der Winter nicht kalt genug wird und im neuen Jahr ernten wir aus Prinzip nicht - wegen der Qualität", sagt Christin Wöhrwag. Auf dem Stadtweingut ist man froh, durchgehalten zu haben: "Wir haben mit dem Spitzenwert von 200 Litern Eiswein bisher den besten Wert in der Region", freut sich Nanz. Der Spätburgunder Rosé Eiswein soll im Oktober in den Verkauf gehen. Der Süßwein ist in der ganzen Welt heiß begehrt: Die letzten 100 Flaschen des vergangenen Jahrgangs gingen nach Shanghai. Die allerletzte Flasche jedoch wurde zur Feier der neuen Eisweinlese geköpft, ehe alle Helfer bei Gulaschsuppe, Tee und Kaffee kräftig zulangten.

Ob das städtische Weingut Spitzenreiter bleibt, ist ungewiss. Denn am Samstag beginnen die Fellbacher Weingärtner mit der Eisweinlese. "Wir hoffen, dass wir die magischen 200 Grad Oechsle knacken können. Die Menge unserer Ernte ist jedoch noch nicht abzusehen", sagt Thomas Seibold, der Vorstandsvorsitzende der Fellbacher Weingärtner eG.