Die Mitte-Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle hat am Rednerpult dafür geworben, dass sich Bürger beim Projekt Leonhardsvorstadt engagieren sollen. Foto: Sascha Maier

Am Ende eines Infoabends um die Leonhardsvorstadt, die Bohnen- und Leonhardsviertel wiedervereinen soll, haben sich die anwesenden Bürger nahezu einstimmig für die Gründung eines Vereins ausgesprochen. Die ansässigen Bordellbetreiber sind allerdings gegen das Vorhaben.

Stuttgart - Das Thema scheint die Bürger zu bewegen. Am Donnerstagabend war es rappelvoll im Stadtteilhaus-Mitte, gut 80 Leute zog der erste Infoabend zur Leonhardsvorstadt, dem Projekt, Bohnen- und Leonhardsviertel wiederzuvereinigen, an. Am Ende des Abends schien der Gedanke überzeugt zu haben. Nahezu einstimmig sprachen sich die Anwesenden für die Gründung eines Vereins bis zum aus. Auch einige Bordellbetreiber aus dem Leonhardsviertel waren da. Sie fühlen sich von der Bürgerallianz ausgeschlossen und übergangen.

Die Allianz ist sehr breit aufgestellt. Stadträte, Bezirksbeiräte, der Handels- und Gewerbeverein (HGV) im Bohnenviertel, der Stadtverschönerungsverein, Vertreter kleiner Kultureinrichtungen – sie alle haben befürwortet, dass der Abriss des Züblin-Parkhauses 2025 eine neue Ära der benachbarten Viertel einleiten soll und die dort entstehende Freifläche zu einem verbindenden Glied werden müsse.

Bürgerbeteiligte Neuplanung

So unmissverständlich wie noch nie hat auch die Stadtverwaltung ihre Unterstützung für das Vorhaben bekräftigt und ihre aktuellen Pläne zur Quartiersentwicklung vorgestellt. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle lobt das Verhalten des Stadtplanungsamts: „Das gibt uns noch mal Wind unter die Flügel. Eine bürgerbeteiligte Neuplanung ist genau der richtige Weg.“

Dass es durchaus Impulse aus der Bevölkerung gibt, war an etlichen Wortmeldungen zu beobachten. Applaus gab es etwa für den Vorschlag, das Gebiet noch um das Stück zwischen Katharinenstraße und Olgastraße zu erweitern, da es faktisch, wenn auch nicht per Definition, zum Bohnen- und Leonhardsviertel dazugehöre. Die Leonhardsvorstadt könnte also noch größer werden. Aktuell ist das Gebiet zwischen Wilhelmsplatz und Charlottenplatz im Dreieck Hauptstätter Straße, Katharinenstraße und Charlottenstraße im Blick.

Bezahlbare Mieten gefordert

Andere Punkte, die die Veranstaltungsteilnehmer in kleinen Arbeitsgruppen für wichtig befunden haben: Das Kleinteilige des Quartiers muss erhalten werden, mehr Grün und Freiflächen würden dem Viertel gut zu Gesicht stehen, und, womöglich besonders wichtig: Die Mieten müssen bezahlbar werden, auch für Kulturbetriebe.

Auch hier lobt Kienzle den Einsatz der Stadtverwaltung und auch den des Gemeinderats. „Es ist wichtig, jetzt mit dem Rückkauf von Immobilien zu beginnen“, sagt die Bezirksvorsteherin.

Unterausschuss soll reaktiviert werden

Ein weiterer Pfeiler, auf dem die Leonhardsvorstadt stehen soll, ist die Wiederbelebung des Unterausschusses Leonhardsviertel im Gemeinderat. Heinrich-Hermann Huth, SPD-Bezirksbeirat in Stuttgart-Mitte, freut sich, dass Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) das Gremium wieder zusammentrommeln will. „Auch wenn Bürgerbeteiligung wichtig ist, brauchen wir die Unterstützung aus dem Rathaus.“ Die nächste – allerdings nichtöffentliche – Sitzung ist für kommenden Dienstag anberaumt.

Mit der Leonhardsvorstadt soll aus der Sicht mancher wieder der historische Zustand teilweise wiederhergestellt werden, wie er vor einigen hundert Jahren herrschte und es noch keine Trennung der beiden Stadtviertel gab. Rufe aus der Ecke mancher Einzelhändler im Bohnenviertel, die befürchteten, dass ihr Standort durch die Eingemeindung des Rotlichtviertels abgewertet werden könnte, sind leiser geworden. „Was wir nicht wollen, ist, dass beide Viertel ihre Identität verlieren“, verspricht Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle.

Kritik von Seiten der Bordellbetreiber

Wer von den Planungen einer engeren Verzahnung der Quartiere allerdings überhaupt nichts hält, sind offenbar die Bordellbetreiber. „Keiner von uns war zu irgendwelchen Gesprächen eingeladen“, sagt John Heer, Geschäftsführer einiger Tabledance-Bars und Bordellen im Stuttgarter Rotlichtviertel.

Die Vorstellung, dass mit dem Abriss des Parkhauses auch Parkplätze wegfallen, behagt ihm überhaupt nicht. „Wenn das Breuninger-Parkhaus ein paar Jahre später auch verschwindet, wird es hier noch toter, als es ohnehin schon ist“, glaubt Heer.

Darüber hinaus sah er bei der Bürgerveranstaltung die Gewerbetreibenden des Leonhardsviertels stark unterrepräsentiert. „Faktisch ist fast das ganze Leonhardsviertel Rotlichtmilieu“, sagt Heer. Er sieht in der Leonhardsvorstadt den Versuch, dieses ganz zu verdrängen.