Die fliegenden Händler aus Italien sind alle paar Wochen zu Gast. Foto: red

Mieter am Kronprinzplatz drohen wegen von der Stadt gewolltem Rummel mit Kündigung. Das Thema rauschte kurz durchs Rathaus. Geändert hat sich nichts.

S-Mitte - Als ob er sonst keine Händel hätte. Kurt Groß fieselt schnipselweise ein Plakat von den Stützpfeilern vor seinem Haus. Die Bürgerinitiative gegen den Bildungsplan hat es angeleimt, um zu ihrer „Demo für alle“ aufzurufen. Die Pfosten sind frisch gestrichen. „Da muss der Maler noch mal drüber“, sagt Groß. Das Papier hat er abbekommen, aber nicht den Leim. Wilde Plakatierer sind sein kleinstes Problem. Groß besitzt ein Eckhaus am Kronprinzplatz. Wie es dazu kam, ist eine Geschichte, die bis zum Ersten Weltkrieg zurückreicht, die Geschichte eines Familienunternehmens. Er ist typisch schwäbisch und inzwischen ein alter Schwabe. Das Unternehmen hat er aufgegeben und lebt – wie seine Schwester – von der Miete. Im Erdgeschoss zahlt sie ihm ein Schuhladen und ein Café, in den Büros der oberen Stockwerke haben sich Firmen unterschiedlicher Branchen eingemietet.

Allerdings kündigen sich Einbußen an. Per Post hat ihm ein Mieter mit Kündigung gedroht, vorab damit, die Miete um die Hälfte zu kürzen, weil „wegen Beeinträchtigungen das Geschäft nicht mehr sichtbar ist“. Vor allem im Sommer sind die Schaufenster ständig mit Zelten verstellt. Schuld ist die Stadt. Sie hat den Kronprinzplatz zur „Aktionsfläche“ umgewidmet. Das bedeutet, dass auf ihm so ziemlich jeder für so ziemlich jedes Anliegen werben und so ziemlich alles verkaufen kann. 63 Veranstaltungen auf dem Platz sind von Januar bis September im Rathaus genehmigt worden, viele davon mehrtägig.

An diesem Tag ist wieder der italienische Markt zu Gast. In zehn Plastikzelten verkaufen fliegende Händler neben Müllcontainern und öffentlicher Toilette Spezialitäten aus Südtirol oder Sardinien. Selbstverständlich ist Balsamico-Essig im Angebot, Käse, sogar ein Spanferkel. Die Italiener reisen alle paar Wochen an und bleiben zehn Tage. Den vorgeschriebenen Abstand von zweieinhalb Meter zur Hausfassade halten sie offensichtlich nicht ein. „Wie immer“, sagt Groß und bittet einen Händler, er möge den Anhänger wegfahren, der vor dem Schaufenster steht. Kleinigkeiten – im Vergleich. Vor ein paar Tagen parkten dort drei Transporter. Bei der Stadt interessierte es nicht. Eine Polizeistreife ließ wissen, „dass ein Vorgesetzter auf mich zukommt“, sagt Groß.

„Kundschaft muss wenigstens noch flanieren können“

Schön ist all das nicht für Einzelhändler, die für einen Laden im Stadtzentrum keinen Schnäppchenpreis zahlen. Groß ist trotzdem nicht grundsätzlich gegen die Werbe- und Verkaufszelte, „aber gegen Trucks und Bierzelte und den ganzen Zirkus, das könnte doch alles zusammenrücken“, sagt er, potenzielle Kundschaft „muss wenigstens noch flanieren können“.

Anfang September rauschte das Thema durchs Rathaus. Die CDU formulierte einen Antrag gegen Wildwuchs, nachdem ein tschechisches Brauhaus zwölf Tage lang mit einem Bierzelt den Platz nahezu vollständig verstellt hatte. Das Ordnungsamt ließ wissen, es habe nichts von einem Konflikt geahnt. Der Ordnungsbürgermeister Martin Schairer erklärte sich persönlich zu Vermittlungsgesprächen bereit.

Allerdings mag Groß nicht recht an die Vermittlung glauben, schon gar nicht an baldige Besserung. „Mit der Stadt kann man nicht sprechen“, sagt er. Versucht hat er es. Vor mehr als einem Jahr, im August 2013, hat er sogar in einem Brief ans Rathaus gebeten, den Rummel auf dem Platz einzuschränken. Nicht ohne Grund: Einer seiner Mieter, eine Handyverkaufskette, war ausgezogen. Die Antwort kam nach drei Monaten und war eindeutig: Ziel sei, „den Platz mit Aktionen zu beleben“. Eine Verkleinerung der Veranstaltungen sei ebenso wenig möglich wie eine Verlegung. Die Auskunft war versehen mit einer Bitte um Verständnis. Unterschrift: Martin Schairer, der Ordnungsbürgermeister.