Ingrid Bussmann ist noch immer beseelt von „ihrer“ Bibliothek. Foto: Max Kovalenko

Zwölf Jahre lang war sie Herrin über Hunderttausende Bücher. Nun geht die Direktorin der Stadtbibliothek, Ingrid Bussmann, in den Ruhestand. Ihre Nachfolgerin wird Christine Brunner.

Stuttgart - Zwölf Jahre lang war sie Herrin über Hunderttausende Bücher. Nun geht die Direktorin der Stadtbibliothek, Ingrid Bussmann, in den Ruhestand. Ihre Nachfolgerin wird Christine Brunner.

Frau Bussmann, Sie haben vier Jahre lang als Lehrerin gearbeitet, bevor Sie Bibliothekswesen studiert haben. Warum Bücher statt Kinder? Weil sie nicht schreien?
(Lacht) Es ist ganz witzig: Wir haben ja aktuell wieder eine Diskussion über das Bildungswesen, etwa über die Ganztagsschule und neue Ansätze von Wissensvermittlung. Genau diese Themen standen auch in den 70er Jahren im Raum. Ich bin mit der Idee in den Schuldienst gegangen, dort viel verändern zu können. Nach vier Jahren war ich ziemlich enttäuscht, weil die Ansätze für die Reformen wieder zurückgedreht wurden.

Der Schulstress war also nicht schuld?
Ich denke, jetzt kann ich das doch mal sagen: Am Anfang war das tatsächlich so. Ich wohnte damals in Hannover neben einer kleinen Stadtteilbibliothek, und wenn ich total gestresst war, bin ich dort nachmittags hin und habe gedacht: Ist das schön ruhig. Bibliothekarin muss ein toller Beruf sein.

Seitdem arbeiten Sie in Ruhe?
Als ich den Beruf gewechselt hatte, habe ich schnell bemerkt, dass man Bibliotheken auch ganz anders betreiben kann. Dass sie nicht völlig ruhig sein müssen, sondern total lebendig sein können. Da war ich glücklich und froh – denn zwischenzeitlich war es wieder vorbei mit meinem Bedürfnis nach Ruhe.

Aber wenn man in die Stadtbibliothek kommt, fängt man unwillkürlich an zu flüstern . . .
Es ist so: In den Achtzigern und Neunzigern wollte man weg von der „Pssst“-Bibliothek, um zu zeigen, dass Bibliotheken Orte sind, die aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben. In den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass die Menschen wieder mehr das Bedürfnis nach Ruhe haben. Bevor die neue Stadtbibliothek gebaut wurde, haben das viele Kunden gewünscht.

Das haben Sie berücksichtigt?
Dieses Haus ist so gestaltet, dass es auf Konzentration ausgerichtet ist. Das ist das Grundkonzept des Architekten – etwa durch die Farbgebung. Trotzdem ist das nur eine Seite. Wir machen oft Veranstaltungen. Ein Professor in meinem Studium zitierte oft den Schriftsteller Francis Picabia: „Der Kopf ist rund, damit die Gedanken ihre Richtung wechseln können“. Das ist ein gutes Leitmotiv für Bibliotheksarbeit: Dass man Impulse macht, Richtungswechsel, um Dinge neu zu entdecken. Dazu gehört auch einmal, die Konzentration zu durchbrechen.

Ist der Würfel Stadtbibliothek, Ihr Lebenswerk, in Ihrem runden Kopf entstanden?
Es ist das Werk eines ganzen Teams, vor allem das meiner Vorgängerin Hannelore Jouly. Eine Geschichte erzähle ich immer bei meinen Führungen: 1997, ein schöner Sommertag. Anruf vom OB: Sie bekommen eine neue Stadtbibliothek, wenn Sie ganz schnell ein Konzept machen.