Besonders der Galeriesaal ist als Drehort beliebt. Foto: Horst Rudel

Mehr als 1000 Anfragen für Dreharbeiten, Fotografien und Interviews: Die Stuttgarter Stadtbibliothek hat sich zu einem beliebten Drehort entwickelt – aber Werbefilme sollen jetzt nicht mehr möglich sein.

S-Mitte - Der britische Schauspieler Idris Elba, bekannt unter anderem aus der Filmbiografie über Nelson Mandela und der englischen Detektivserie Luther, steht inmitten weißer Regale und weißer Wände, in einem weißen Raum. In den Regalen stehen bunte DVDs verschiedener Fernsehserien. Elba erzählt, dass man sich nun alle diese Boxsets direkt auf den Fernseher holen kann. Die Kamera fährt zurück, und der Zuschauer sieht: Elba steht unverkennbar im Galeriesaal der Stuttgarter Stadtbibliothek am Mailänder Platz.

Filme wie dieser, der für den britischen Bezahlsender Sky wirbt, sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Ständig kommen neue Anfragen in der Verwaltung der Stadtbibliothek an: man möchte im Haus, das der südkoreanische Architekt Eun Young Yi entworfen hat, drehen, fotografieren, Interviews führen. Die Londoner Werbeagentur Brothers and Sisters, die den Werbe-Clip für Sky hergestellt hat, hatte die Bibliothek ausgesucht, nachdem das Kreativteam im Internet nach Drehorten gesucht hatte. Den Ausschlag gab das „moderne, ästhetisch vorteilhafte Aussehen“ des Gebäudes, wie ein Sprecher sagt.

Aus Zögern wurde Akzeptanz

„Über 1000 Anfragen haben wir seit dem Einzug 2011 erhalten“, berichtet Christine Brunner, die Leiterin der Bibliothek. „Das ist sehr ehrenvoll auf der einen Seite, aber auch sehr schwierig für uns.“ Brunner und ihr Team befinden sich in einem Zwiespalt. „Anfangs war unser Haus nicht unumstritten“, erklärt die Bibliothekarin. Umso wichtiger sei es gewesen, die Zentralbücherei als niederschwelliges Haus für alle Bürger in den Vordergrund zu rücken. „Mittlerweile sind wir akzeptiert in der Stadt“, sagt Brunner.

Das anfängliche Zögern hat sich nun ins Gegenteil verwandelt: „Wir werden quasi überrannt von Besuchergruppen und von Menschen, die sich hier kreativ inspiriert fühlen“, erklärt Brunner. Problematisch bei Letzterem seien vor allem Anfragen, bei denen es um Werbefilme geht, wie zum Beispiel von Sky, oder, auch kürzlich geschehen, von einer Energydrink-Firma. „Die Bibliothek sollte nicht mit einer Marke verbunden werden“, betont Christine Brunner. „Unser Haus ist eine neutrale Umgebung, in der man sich frei bewegen kann, und die nicht von Werbung beeinflusst ist.“ Das ist der Chefin wichtig, vor allem auch, weil „die Diskussion über die wichtige Rolle einer Bibliothek in der Gesellschaft immer wieder aufbrandet“.

Darum entwickelt die Abteilung Kommunikation der Stadtverwaltung nun gemeinsam mit dem Team der Stadtbibliothek ein Konzept, in dem genau festgelegt wird, wer das Haus als Drehkulisse benutzen darf und wer nicht. „Dazu tauschen wir uns auch mit Kollegen aus“, erklärt Brunner, unter anderen seien dies das Grimme-Zentrum Berlin und die Philologische Bibliothek der Freien Universität Berlin. Letztere wurde von Norman Foster entworfen und erfreut sich seit der Einweihung 2005 einem ähnlich großen Interesse. Auch in Zukunft soll gelten: nicht-kommerzielle Anfragen sollen weiterhin möglich gemacht werden. „Wenn es beispielsweise um einen Kalender geht, in dem Bibliotheken abgebildet sind, ist das kein Problem“, stellt Brunner klar. Gleiches gelte für Projekte von Schülern oder Studenten, oder für den Fall, dass sich Autoren in der Bibliothek fotografieren lassen möchten. „Anfragen mit einem kulturellen Hintergrund nehmen wir sehr gerne“, sagt die Bibliothekarin. „Wir wollen die Fenster zu Kultur und Kunst öffnen, das ist uns wichtig.“

Die Dreharbeiten stören manchmal die Besucher

Auch bisher gibt es gültige Regelungen, an die sich alle halten müssen, die im Haus drehen oder fotografieren wollen. Beispielsweise dürfen keine Besucher oder Kinder abgebildet werden. Nachzulesen sind die Regeln im Internet. „Aber jetzt müssen wir eine Grenze ziehen, wenn es zu kommerziell wird.“ Generell sind jegliche Arbeiten in der Stadtbibliothek mit einem Mehraufwand für die Mitarbeiter verbunden: „Die Filmteams müssen betreut werden, da sie die komplizierte Sicherheitstechnik des Hauses nicht kennen oder mit den Vorgaben nicht vertraut sind“, sagt Brunner. Da die Zentralbücherei von 9 bis 21 Uhr geöffnet ist, finden die Arbeiten meist während der Öffnungszeiten statt. „Oft gibt es dann Besucherbeschwerden“, sagt Brunner. „Oder ein Fotograf findet eine besonders schöne Perspektive und steht dann mit seiner Ausrüstung mitten im Rettungsweg.“

Als die Stadtbibliothek im September 2013 zur Bibliothek des Jahres gekürt wurde, gab es einen erneuten Ansturm an Anfragen. „Der Preis bringt ja auch Verantwortung mit sich“, so Brunner. „Der Eindruck, dass wir ein Haus für alle Bürger sind, muss bleiben. Damit müssen wir auch werbefrei bleiben, das entspricht unserer Philosophie.“ Stolz ist die Bibliothekarin allerdings auch ein bisschen: „Es hat niemand eingeschätzt, welchen Erfolg unser Haus haben wird.“

Der Schauspieler Idris Elba ist übrigens gar nicht vor Ort in Stuttgart gewesen. Seine Szenen wurden in einem Studio in England gedreht. Lediglich ein kleines Drehteam kam in die Landeshauptstadt, um den Galeriesaal zu filmen. Der Rest wurde am Computer zusammengefügt.

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