Nichts geht mehr: Das BMW-Elektroauto blockiert nach der Kollision in der Neckarstraße die Gleise Foto: 7aktuell.de/Franziska Mülhaupt

Immer wieder versuchen Autofahrer in Stuttgart verbotenerweise nach links über die Gleise abzubiegen – und lösen damit Stadtbahnunfälle aus. Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) versuchen mit einer Kampagne die Autofahrer zu sensibilisieren. In der Neckarstraße krachte es an einem Tag zweimal an derselben Stelle.

Stuttgart - Stuttgarts erster Stadtbahnunfall mit einem Elektroauto hat am Freitagmorgen für reichlich Behinderungen im Straßen- und Schienenverkehr im Stuttgarter Osten gesorgt. Nach Angaben der Polizei wollte ein 32-jähriger Autofahrer mit seinem BMW-Elektroauto i 3 gegen 7.30 Uhr in der Neckarstraße auf Höhe der Haltstelle Metzstraße verbotenerweise nach links über die Gleise abbiegen. Dabei übersah er eine Stadtbahn der Linie U 1, dessen 28-jähriger Fahrer die Kollision nicht mehr verhindern konnte. Die 56 Tonnen schwere Bahn schob das Elektroauto noch 20 Meter vor sich her.

Bei dem Unfall entstand ein Schaden von rund 80 000 Euro. „Nach ersten Erkenntnissen hat es wohl keine Verletzte gegeben“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. „Der Autofahrer wurde aber vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht.“

Für Fahrgäste der Stadtbahnlinien U 1, U 2 und U 14 ging nach dem Unfall alles durcheinander. Die Strecke zwischen Stöckach und Mineralbäder war blockiert. „Von Bad Cannstatt her konnten die drei Linien nur bis zur Halytestelle Mineralbäder fahren“, sagte Birte Schaper, Sprecherin der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), „von der anderen Richtung ging es nur bis Stöckach beziehungsweise Neckartor.“ Als Ersatz verkehrten zeitweise Taxis zwischen Neckartor und Mercedesstraße. Der Autoverkehr musste bis 9.10 Uhr umgeleitet werden. Die Verspätungen im gesamten Netz der Stadtbahn zogen sich aber noch über den ganzen Vormittag hin.

Dann kracht es wieder: Zwei Leichtverletzte

Freilich kommt ein Unglück selten allein: Gegen 16.45 Uhr, im Feierabendverkehr, krachte es an derselben Stelle erneut. Ein 70-jähriger Fiat-Fahrer war einer Stadtbahn der Linie U 1 beim verbotenen Abbiegen in die Quere gekommen. Bei dem Unfall wurde eine schwangere Frau leicht verletzt, der 60-jährige Stadtbahnfahrer erlitt einen Schock und musste ebenfalls behandelt werden.

Ein typischer Unfall. Immer wieder versuchen Autofahrer verbotenerweise nach links über die Gleise abzubiegen – und übersehen dabei die parallel nebenan fahrende Stadtbahn. Was den Fahrer des Elektroautos zum Abbiegen veranlasste, ist unklar. Die Unfallstelle in der Neckarstraße ist wegen einer Baustelle zusätzlich beengt.

Illegale Linksabbieger – ein Dauerthema

Mit Plakaten, Kino- und Radiospots und der Kampagne „Links fährt die Bahn“ versuchen die SSB auf die Problematik des verbotenen Linksabbiegens aufmerksam zu machen. Im Durchschnitt der letzten Jahre gibt es laut SSB jedes Jahr mehr als 20 solcher Karambolagen. 26 Unfälle dieser Art verzeichnete die SSB im vergangenen Jahr, 2010 waren es 15, im Jahr 2005 insgesamt 25.

Unfallschwerpunkte beim illegalen Linksabbiegen sind zum Beispiel im Stuttgarter Westen die Kreuzungen Schloss- und Senefelderstraße, Schloss- und Silberburgstraße sowie Bebel- und Claudiusstraße.

In Zuffenhausen sind die Autofahrer besonders in der Ludwigsburger Straße auf Höhe der Franken- und der Hohensteinstraße zu leichtfertig unterwegs. Schwerpunkte im Gebiet Bad Cannstatt/Fellbach sind die Kreuzungen von Waiblinger- und Daimlerstraße sowie Stuttgarter- und Höhenstraße.

Derzeit häufen sich im Stuttgarter Schienennetz die Unfälle mit Autos. Erst am Vorabend hatte es einen spektakulären Unfall in der Hegelstraße im Stuttgarter Westen gegeben. Ein 19-Jähriger war offenbar zu schnell unterwegs und raste in die Haltestelle Russische Kirche. Außer dem jungen Golf-Fahrer wurde kein Außenstehender verletzt. Der Schaden wird auf 40 000 Euro geschätzt. Am späten Donnerstagabend fuhr sich dann noch ein Opel-Fahrer aus Dänemark in den Gleisen an der Haltestelle Schlachthof im Osten fest und blockierte die Stadtbahn.

Stuttgart auf Platz 24 der gefährlichsten Städte

Im vergangenen Jahr hat es in Stuttgart 97 Stadtbahnunfälle gegeben. In 80 Fällen hatten Autofahrer den Unfall ausgelöst, in zehn Fällen waren Fußgänger die Verursacher. Lediglich sieben Mal hatten die Fahrer der beteiligten Stadtbahnen nicht aufgepasst. Den Großteil der 42 Verletzten im letzten Jahr stellten indes die Fahrgäste.

Im Bundesvergleich steht Stuttgart statistisch aber relativ gut da. Nach einer Studie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) belegt die Landeshauptstadt in der Rangliste der gefährlichsten Städte Platz 24. Der Verband hat insgesamt 4100 Unfälle in Deutschland in den Jahren 2009 bis 2011 ausgewertet.

Wieviel Spannung hat ein verunglücktes Elektroauto?

Stuttgarts erster Stadtbahnunfall mit einem Elektroauto war allerdings auch für die Feuerwehr hoch spannend – wegen der möglichen Gefahren durch die Hochvolt-Batterie. „Wir wussten zum Glück früh Bescheid, weil auch die BMW-Sicherheitszentrale uns den Unfall eines Elektroautos in der Neckarstraße meldete“, heißt es in der Leitstelle der Feuerwehr. Den Wehrmännern um Einsatzleiter Markus Hauser konnte so schnell das entsprechende Rettungsdatenblatt übermittelt werden. Darin ist beschrieben, wie und wo das Hochvolt-System manuell deaktiviert werden kann, wenn es sich nicht vollautomatisch abschaltet. Zwar konnten die Wehrmänner durch den ausgelösten Airbag vermuten, dass der Wagen spannungsfrei war. Aber sicher ist sicher.